Charakterisierung der Methode


Die Lösung von Strukturproblemen ist durch eine kombinierte Anwendung verschiedener spektroskopischer Methoden erfolgversprechender und zuverlässiger als bei Anwendung nur einer Methode. Dabei können folgende, für die jeweilige Methode spezifische Informationen aus den Spektren entnommen werden:

Infrarotspektroskopie

Die Grundlage für die Interpretation von Infrarot-Spektren bildet das Konzept der charakteristischen Schwingungen. Danach treten schwach gekoppelte Schwingungen (d.h. Schwingungen, bei denen die Massenunterschiede der beteiligten Atome >1:2, die Unterschiede der Kraftkonstanten benachbarter Bindungen >25% und die Bindungswinkel der Gruppe nahe 90° sind), relativ unabhängig vom Molekülrest in einem eng begrenzten Wellenzahlbereich auf. Die für einzelne Strukturgruppen charakteristischen Schwingungen sind tabelliert.

Bei der Interpretation von IR-Spektren empfiehlt es sich, zuerst die CH-Valenzschwingungen im Wellenzahlbereich um 3000 cm-1 zu untersuchen. Unterhalb 3000 cm-1 sind die Schwingungen gesättigter Alkane zu finden. Die CH-Deformationsschwingungen dieser Verbindungen liegen zwischen 1350 und 1500 cm-1. Aus dem Dublett der d s CH3 bei ca. 1380 cm-1 können Informationen über die Verzweigung der Ketten entnommen werden. Die Kettenlänge liefern die r CH2-Schwingungen zwischen 700 und 800 cm-1.

Die CH-Valenzschwingungen ungesättigter Verbindungen werden bei 3300-3000 cm-1 beobachtet. Für Alkene besitzt zusätzlich die C=C-Valenzschwingung bei 1695 bis 1640 cm-1 diagnostischen Wert. Für Alkine ist die Cº C-Valenzschwingung bei ca. 2100 cm-1 von Bedeutung. Aromaten zeigen weitere charakteristische Banden im Bereich von 1600 bis 1480 cm-1. Der Substitutionstyp des Aromaten kann aus den Ober- und Kombinationsschwingungen zwischen 2000 und 1650 cm-1 und aus der g CH-Schwingung bei 900 bis 700 cm-1 abgeleitet werden.

Den größten diagnostischen Wert in den IR-Spektren besitzt die Valenzschwingungsbande der Carbonylgruppe. Diese sehr intensive Bande liegt bei 1715 cm-1 (definierte Normallage für aliphatische Ketone). In Abhängigkeit von den benachbarten Gruppen kann sie sich um ca. ± 100 cm-1 verschieben. Diese Verschiebungen erlauben Rückschlüsse auf größere Strukturelemente im Molekül.

OH-Gruppen können im IR-Spektren an der breiten (nur bei Assoziierung) OH-Valenzschwingungsbande (4000-2500 cm-1) erkannt werden. Zusätzlich treten Deformationsschwingungen als breite Banden zwischen 1500 und 800 cm-1 auf.

Für C-O-C-Gruppierungen sind die Valenzschwingungen zwischen 1300 und 1000 cm-1 als sehr intensive Banden zu beobachten.

Amine sind an den Valenzschwingungen bei ca. 3400 cm-1 zu erkennen (primäre Amine: 2 Banden, sekundäre Amine: 1 Bande). Die zugehörigen Deformationsschwingungen liegen bei ca. 1600 cm-1 und haben meist hohe Intensität.

Die Valenzschwingungsbanden von C-N-Mehrfachbindungen sind im sonst wenig belegten Gebiet um 2200 cm-1 zu finden.

Für Amide sind neben den N-H-Valenzschwingungen die sogenannten Amid I- (1700 bis 1600 cm-1) und Amid II-Banden (1600 bis 1500 cm-1) charakteristisch.

Die Valenzschwingungen von Halogen-C-Gruppierungen sind sehr intensiv und liegen unterhalb 1000 cm-1.

NMR-Spektroskopie
Die NMR-Spektroskopie wird für die Strukturaufklärung und quantitative Analyse organischer, anorganischer sowie zunehmend auch von Biomolekülen eingesetzt.

Aus einem 1H-NMR-Spektrum erster Ordnung können folgende Informationen gewonnen werden:

 

Neben der 1H-NMR wird häufig auch die 13C-NMR-Spektroskopie für die Struktur-aufklärung eingesetzt, deren Empfindlichkeit aufgrunde der geringen natürlichen Häufigkeit des 13C-Isotops von 1,1% (im Vergleich: 1H ® 100%) und des kleineren gyromagnetischen Verhältnisses jedoch wesentlich geringer ist als bei der 1H-Resonanz.

Die chemischen Verschiebungen der Signale in den 13C-Spektren liegen in einem Bereich von 0-200 ppm und können in ähnlicher Weise zur Strukturaufklärung herangezogen werden wie bei der 1H-NMR, wobei im Gegensatz zur 1H-NMR hauptsächlich Informationen zum Gerüst und nicht zur Peripherie des Moleküls erhalten werden (Nutzung von Tabellen der chemischen Verschiebung).

Aufgrund der geringen natürlichen Häufigkeit der 13C-Atome spielt die homonukleare Spin-Spin-Kopplung keine Rolle. Zu beachten sind die Kopplungen der 13C-Kerne mit Protonen (gekoppelte 13C-Spektren); zur Vereinfachung der Spektreninterpretation werden häufig 1H-Breitband-entkoppelte Spektren aufgenommen, die deutlich linienärmer sind, in denen allerdings Informationen über 13C-1H-Kopplungen verloren gehen.

Die exakte quantitative Auswertung von Routine-13C-Spektren ist aufgrund des Kern-Overhauser-Effektes (NOE) und Relaxationseinflüssen nicht möglich, da diese zu Intensitätsveränderungen der einzelnen Signale führen.

Sowohl bei der 1H- als auch 13C-NMR können die chemischen Verschiebungen der Moleküle mittels Inkrementsystemen hinreichend genau berechnet werden.

Massenspektrometrie

Die meisten Angaben in der Literatur über die Interpretation von Massenspektren beziehen sich auf Spektren, die nach Elektronenstoßionierung (EI) mit 70eV erhalten wurden. In diesen Spektren ist aber das Molekülion oft nur mit geringer Intensität zu beobachten (oft wird die Ordinate gestreckt dargestellt). Deshalb werden auch sogenannte "weiche" Ionisierungsmethoden (z. B. die Chemische Ionisierung (CI) mit verschiedenen Gasen wie Ammoniak) angewandt, um das Molekülion mit möglichst hoher Intensität zu detektieren.

Das Molekülion liefert direkt das Molekulargewicht der Substanz. Handelt es sich um eine ungerade Zahl, kann aus der Stickstoffregel abgeleitet werden, daß eine ungerade Anzahl an N-Atomen im Molekül enthalten ist. Umgekehrt gilt, daß in Verbindungen mit geradzahligen Molekulargewichten höchstens eine gerade Anzahl an Stickstoffatomen enthalten sein kann.

Nach hochauflösenden Messungen kann im Idealfall aus dem Molekülion auch die Summenformel des Moleküls berechnet werden. Aus dieser wiederum ergibt sich aufgrund der Bindungseigenschaften der verschiedenen Atome die Anzahl der Doppelbindungen im Molekül. Für eine Verbindung der Zusammensetzung CaHbOcNd berechnet man das Doppelbindungsäquivalent (=DBAE) nach der Formel DBAE = ½[(2a+2)-(b-d)]. Sind weitere Elemente enthalten, werden sie aufgrund ihrer Bindigkeit zugeordnet (Halogene zu H; S zu O; P zu N ...). Ein Ringschluß entspricht 1 DBAE.

Rückschlüsse über Art und Anzahl der enthaltenen Elemente sind aufgrund der natürlichen Isotopenverteilung der Elemente möglich. So kann aus der Intensität des [M+1]-Peaks näherungsweise die Anzahl der Kohlenstoffatome ermittelt werden (ca. 1,1 % entspricht
1 C-Atom). Für Elemente mit mehreren häufigen natürlichen Isotopen (z. B. Cl, Br) ergeben sich je nach Anzahl dieser Elemente spezielle Isotopenmuster, die in Tabellenwerken gezeigt sind.

Den Massenspektren können aufgrund von auftretenden Fragmentierungsprozessen auch Informationen über Strukturgruppen entnommen werden. Fragmentierungsregeln wurden für die am häufigsten aufgenommenen EI-Spektren (70eV) aufgestellt. Aus Abspaltungen von Neutralteilchen aus dem Molekülion sind Rückschlüsse auf bestimmte funktionelle Gruppen möglich (z.B. H2O aus Alkoholen oder Aldehyden, CO2 aus Estern und Anhydriden). Zudem kommt es durch Umlagerungsreaktionen (z. B. McLafferty-Umlagerung) zur Bildung von für einzelne Subtanzklassen charakteristischen Ionen. Ein weiterer Prozeß ist die Spaltung bestimmter Bindungen im Molekül. Häufig auftretende Neutralteilchen sowie Produkte von Umlagerungen und Bindungsspaltungen sind tabelliert.

Eine Hilfe für die Aufklärung der Fragmentierungswege sind die metastabilen Ionen. Sie zerfallen zwischen Ionenquelle und Detektor und erscheinen als schwacher, breiter Peak im Massenspektrum. Für den Zerfall m0 ® m1 + n werden sie bei der Masse m* = m12/ m0 registriert.

Da es bei der Fragmentierung auch zu Folgeprozessen kommen kann, ist die Entnahme von Strukturinformationen aus Massenspektren sehr schwierig. Man greift deshalb häufig auf andere Methoden zurück.

UV/VIS-Spektroskopie

Die Aussagekraft der UV/VIS-Spektroskopie für die Strukturaufklärung organischer Verbindungen ist im Vergleich zu anderen Methoden gering. Aufgrund der geringen Anzahl und Breite der Banden sind die Informationen nur wenig strukturspezifisch.

Mit der UV/VIS-Spektroskopie wird die Absorption von elektromagnetischer Strahlung im ultravioletten (UV, 200-400 nm) und sichtbaren (VIS, 400-800 nm) Spektralbereich untersucht. Die Strahlungsabsorption basiert auf der Anregung von Elektronen in unbesetzte Molekülorbitale. Die dazu benötigte Energie wird im allgemeinen durch den Abstand zwischen dem energetisch obersten besetzten (HOMO) und niedrigsten unbesetzten (LUMO) Orbital bestimmt.

Für s ® s *-Übergänge wird die höchste Energie benötigt. Sie sind bei ca. 150 nm zu beobachten. Für die Interpretation haben sie keine Bedeutung, da alle organischen Verbindungen diese Übergänge zeigen.

Auch n® s *-Übergänge, die in Verbindungen mit ungebundenen Elektronen auftreten, liegen im kurzwelligen Bereich (O: 185-190 nm; N, S: 195 nm) und haben wenig diagnostischen Wert.

n® p *-Übergänge liegen im allgemeinen bei Wellenlängen <300 nm und sind meist von geringer Intensität. Die genaue Lage gibt Auskunft über das Atom, an dem sich das freie Elektronenpaar befindet.

Die größte Bedeutung bei der Interpretation von UV/VIS-Spektren haben p ® p *-Übergänge. Derartige Übergänge werden bei etwas höheren Wellenlängen als die vorher genannten Übergänge beobachtet und führen meist zu sehr intensiven Banden. Die Konjugation von n- und p -Elektronen führt zu einer Verschiebung der Absorption zu größeren Wellenlängen. Eine Verschiebung der Absorption bis in den sichtbaren Spektralbereich wird beobachtet, wenn lange konjugierte p -Elektronensysteme in den Molekülen (mehrfach ungesättigte aliphatischen Verbindungen, polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe) enthalten sind. Diese Banden haben meist eine sehr hohe Intensität. Als Faustregel gilt: Je größer das konjugierte System ist, desto längerwellig und intensiver ist der energieärmste p ® p *-Übergang.


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