Die Prinzipien

der menschlichen Dummheit


 
 

Einleitung

Die Angelegenheiten der Menschheit liegen nach allgemeiner Überzeugung ziemlich im argen. Das ist keineswegs neu: soweit man zurückblicken kann, haben sie immer schon ziemlich im argen gelegen. Die schwere Last aus Unglück und Not, die die Menschen sowohl als Einzelwesen als auch als Mitglieder der organisierten Gesellschaft mit sich schleppen müssen, ist im Kern das Ergebnis der völlig unbegreiflichen - und ich wage die Feststellung, dummen - Art und Weise, wie das Leben von allem Anfang an organisiert wurde.

Durch Darwin wissen wir, daß wir unseren Ursprung mit anderen Spezies des Tierreichs teilen, und jede Spezies, vom kleinsten Wurm bis zum Elefanten, muß, wie man weiß, ihren Teil an tagtäglichen Mühen, Ängsten, Frustrationen, Qualen und Widrigkeiten ertragen. Die Menschen besitzen allerdings das Privileg, sich ein zusätzliches Gewicht, eine Extradosis an täglichen Plagen aufhalsen zu müssen, die von einer Gruppe von Personen verursacht werden, die genauso Menschen sind wie alle anderen. Diese Gruppe ist viel mächtiger als die Mafia, die Rüstungsindustrie oder die Kommunistische Internationale. Es handelt sich um eine Gruppe ohne feste Organisation, sie bildet keinen Flügel innerhalb irgendwelchen Fraktionen, sie hat keinen Vorstand, keinen Präsidenten, keine Satzung, und dennoch gelingt es ihr, in so perfektem Einklang zu agieren, als würde sie von unsichtbarer Hand geführt. Dies geschieht in einer Weise, daß die Aktivitäten eines einzelnen Gliedes dieser Gruppe die Wirksamkeit aller anderen Glieder entscheidend stärken und ausweiten. Die Natur, der Charakter und das Verhalten der Glieder dieser Gruppe sind Gegenstand der nachfolgenden Seiten.

An dieser Stelle scheint es mir notwendig, kurz darauf hinzuweisen, daß dieser Essay weder das Resultat einer zynischen Haltung noch eine Übung in gesellschaftlichem Defätismus ist, ebenfalls auch nicht mehr als irgendein Buch über Mikrobiologie. Die folgenden Seiten sind in Wirklichkeit das Ergebnis eines konstruktiven Bemühens, eine der mächtigsten und dunkelsten Kräfte zu untersuchen und zu erkennen, um sie auf diese Weise möglichst zu neutralisieren, denn sie ist dafür verantwortlich, daß die Zunahme von Wohlstand und menschlichem Glück verhindert wird.
 


Das Erste Prinzip

Das Erste Prinzip der menschlichen Dummheit stellt ohne jede Zweideutigkeit die folgende Behauptung auf:

Stets und unvermeidlicherweise unterschätzt jeder von uns die Anzahl dummer Individuen, die sich im Umlauf befinden.*

[*Die Verfasser des Alten Testaments waren sich des Ersten Prinzips voll bewußt und paraphrasierten es, wenn sie behaupteten stultorum infinitus est numerus-, allerdings ließen sie sich damit zu einer dichterischen Übertreibung hinreißen. Die Anzahl dummer Menschen kann nicht unendlich sein, da die Anzahl lebender Menschen endlich ist.]
 

Auf den ersten Blick mag eine solche Behauptung trivial, selbstverständlich, wenig großzügig oder alles drei zusammen erscheinen. Allerdings wird eine genauere Untersuchung ihre realistische Hieb- und Stichfestigkeit voll erweisen. Deshalb soll auch das in Erwägung gezogen werden, was folgt. Ganz gleich, wie hoch die quantitative Einschätzung liegen mag, die man der menschlichen Dummheit zubilligt, so erstaunt man doch immer wieder über die Tatsache, daß:

a) Personen, die man in der Vergangenheit für vernünftig und intelligent gehalten hat, sich plötzlich eindeutig als hoffnungslos dumm erweisen;

b) man Tag für Tag bei seiner eigenen Tätigkeit mit unaufhörlicher Monotone von unbeschreiblich dummen Menschen aufgehalten und behindert wird, die völlig unerwartet an den am wenigsten geeigneten Orten und in am wenigsten geeigneten Augenblicken auftauchen.

Das Erste Prinzip läßt eine quantitative Erfassung des Anteils von dummen Personen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerungszahl nicht zu: jede Art zahlenmäßiger Einschätzung würde sich als Unterschätzung erweisen. Aus diesem Grund wird auf den folgenden Seiten die Anzahl dummer Menschen innerhalb einer Bevölkerung mit dem Symbol S versehen.
 


Das Zweite Prinzip

Die gegenwärtig in der westlichen Welt vorherrschenden kulturellen Tendenzen treten für ein auf Gleichheit basierendes Verständnis vom Menschen ein. Man stellt sich den Menschen gern als Massenprodukt eines perfekt konzipierten Fließbands vor. Insbesondere die Genetik und die Soziologie bemühen sich, mit einer ungeheuer beeindruckenden Zahl wissenschaftlicher Daten und Definitionen nachzuweisen, daß alle Menschen von Natur aus gleich seien und daß, wenn ein paar Menschen gleicher seien als andere, dies auf ihre Erziehung und ihr soziales Umfeld, keineswegs aber auf Mutter Natur zurückzuführen wäre.

Diese Ansicht ist weit verbreitet, auch wenn ich persönlich sie keineswegs teile. Vielmehr ist es meine feste, durch jahrelange Beobachtungen und Versuche gestütztc Überzeugung, daß die Menschen nicht gleich sind, daß es Dumme gibt und solche, die es nicht sind, und daß der Unterschied nicht von kulturellen Kräften oder Faktoren, sondern durch biogenetische Winkelzüge einer undurchschaubaren Natur bestimmt wird. Jemand ist in dem gleichen Maße dumm, wie ein anderer rote Haare hat; Jemand gehört zur Gruppe der Dummen in der gleichen Weise, wie ein anderer zu einer Blutgruppe gehört. Kurz gesagt: Jemand wird dumm geboren, weil eine undurchschaubare, unkontrollierbare Göttliche Vorsehung das so will.

Auch wenn ich der Überzeugung bin, daß ein Anteil der Menschen dumm ist und das nur, weil die Vorsehung es so wollte, bin ich trotzdem nicht reaktionär und versuche keineswegs, Klassen und Rassendiskriminierung durch die Hintertüre wieder einzuschleusen. Ich glaube fest, daß die Dummheit ein in jeder menschlichen Gemeinschaft anzutreffendes Merkmal ist und dieses Merkmal sich in einem konstanten Verhältnis gleichmäßig verteilt. Dieser Umstand wird im Zweiten Prinzip wissenschaftlich formuliert, das besagt:

Die Wahrscheinlichkeit, daß eine bestimmte Person dumm ist, besteht unabhängig von jedweder anderen Eigenschaft derselben Person.

In dieser Hinsicht scheint sich die Natur wirklich selbst übertroffen zu haben. Es ist allgemein bekannt, daß die Natur auf einigermaßen mysteriöse Art die Häufigkeit gewisser Naturphänomene konstant hält. Zum Beispiel, daß sich die Menschen am Nordpol genauso vermehren wie am Äquator; daß Paare, die sich vereinigen, in fortschrittlichen Ländern ebenso anzutreffen sind wie in unterentwickelten, ob sie nun schwarz, rot, gelb oder weiß sind; daß die Relation zwischen Jungen und Mädchen unter den Neugeborenen konstant ist, mit einem leichten Überschuß an Jungen. Wir können nichts darüber aussagen, wie die Natur dieses ungewöhnliche Resultat erzielt, doch wissen wir, daß sie, um es zu erzielen, mit großen Zahlen operieren muß. Das Außergewöhnliche, das der Häufigkeit der Dummheit zugrunde liegt, besteht in dem Umstand, daß es der Natur gelingt, diese Häufigkeit in bezug auf die Wahrscheinlichkeit S immer und überall konstant zu halten, und zwar unabhängig von der Größe des menschlichen Verbands, denn man findet den gleichen Prozentsatz an dummen Menschen überall wieder - ganz gleich, ob man zahlenmäßig sehr große oder sehr kleine Gruppen in Betracht zieht. Kein anderes unserer Beobachtung unterliegendes Phänomen bietet einen so einzigartigen Beweis für die Macht der Natur.

Der Beweis, daß weder Erziehung noch Umwelt irgend etwas mit der Wahrscheinlichkeit S zu tun haben, ist durch eine Reihe von Experimenten geliefert worden, die an zahlreichen Universitäten in der ganzen Welt durchgeführt worden sind. Die Bevölkerung einer Universität läßt sich in vier Großkategorien untergliedern: Pedelle, Angestellte, Studenten und Lehrkörper.

Bei jeder Untersuchung über die Pedelle fand man heraus, daß ein Bruchteil S von ihnen dumm war. Da nun aber der Wert von S höher lag, als man angenommen hatte (Erstes Prinzip), dachte man - im Einklang mit den Modeströmungen - zunächst, daß dies auf die Armut der Familien zurückzuführen sei, aus denen die Pedelle im allgemeinen hervorgehen, und auf ihre geringe Bildung. Doch bei der Untersuchung der höheren Gruppen fand man heraus, daß der gleiche Prozentanteil auch unter den Angestellten und Studenten anzutreffen war. Noch wesentlich beeindruckender waren die Ergebnisse unter dem Lehrkörper. Ganz gleich, ob es sich nun um eine große oder kleine Universität handelte, um ein berühmtes oder obskures Institut: man fand heraus, daß der gleiche Anteil S unter den Professoren aus Dummen bestand. Dieses Ergebnis war dermaßen überraschend, daß man sich vernahm, die Untersuchungen auf eine ganz besonders ausgewählte Gruppe auszudehnen, auf eine ausgesprochene Elite, nämlich die Nobelpreisträger. Das Resultat bestätigte die oberste Gewalt der Natur: ein Anteil S unter den Nobelpreisträgern besteht aus Dummen.

Es ist nicht leicht, dieses Ergebnis hinzunehmen und zu schlucken, doch ungezählte Experimente bewiesen seine grundsätzliche Zuverlässigkeit. Das Zweite Prinzip ist ein eisernes Prinzip und duldet keine Ausnahmen. Die Frauenbewegung wird dieses Zweite Prinzip zu schätzen wissen, weil es darlegt, daß es unter den Männern im Verhältnis wesentlich mehr Dumme gibt als unter den Frauen. Die Bevölkerung der Drittweltländer wird sich mit dem Zweiten Prinzip trösten, weil es darlegt, daß die Bevölkerung der sogenannten 'entwickelten' Länder letzten Endes gar nicht so entwicklt ist. Ob einem das Zweite Prinzip nun gefällt oder nicht, jedenfalls kann man seine ziemlich teuflischen Implikationen nicht einfach unter den Tisch fallen lassen: schließlich besagt es, daß man - ob man sich nun in feinen Kreisen bewegt oder sich zu den Kopfjägern von Polynesien flüchtet, ob man sich in ein Kloster verschließt oder den Rest seines Lebens in der Gesellschaft schöner, verschwenderischer Frauen verbringt - immer wieder dem gleichen Prozentanteil an dummen Menschen begegnet, und dieser Anteil wird (in Übereinstimmung mit dem Ersten Prinzip) immer wieder die noch so fürchterlichsten Prognosen übertreffen.
 


Eine technische Pause

An diesem Punkt ist es notwendig, den Begriff menschliche Dummheit zu klären und die dramatis persona zu definieren.

Die Menschen weisen unterschiedliche Grade in ihrer Eigung zur Sozialisierung auf. Es gibt Menschen, für die jede Art von Kontakt mit anderen Menschen eine qualvolle Notwendigkeit ist. Sie müssen andere im wahrsten Sinn des Wortes ertragen, und die anderen müssen sie ertragen. Am gegenüber liegenden Ende dieses Spektrums gibt es Menschen, die unter gar keinen Umständen alleine leben können und daher sogar bereit sind, ihre Zeit lieber in Gesellschaft von Personen zu verbringen, die sie verachten, als alleine zu bleiben. Zwischen diesen beiden Extremen liegt eine Vielzahl unterschiedlichster Verhaltensweisen, obwohl die große Mehrheit unter den Menschen eher dem Typus zuneigt, der Einsamkeit nicht ertragen kann, als dem, der keinerlei Neigung zu menschlichen Beziehungen hat. Aristoteles war dieser Umstand bewußt, als er schrieb, daß der Mensch ein "Gesellschaftstier" sei , und die Gültigkeit seiner Behauptung ist durch den Umstand bewiesen, daß wir uns in Gesellschaftsgruppen bewegen, daß es mehr Verheiratete als Nichtverheiratete oder Junggesellen gibt, daß ungeheuer viel Geld und Zeit für nerventötende, langweilige Cocktail Parties vergeudet wird und daß das Wort Einsamkeit in aller Regel eine negative Färbung hat.

Ob nun einer zum Typus des Eremiten oder zum Typus des Salonlöwen gehört - er hat es in jedem Fall mit Menschen zu tun, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität. Manchmal treffen nämlich auch Eremiten auf Menschen. Außerdem steht er immer in einem Verhältnis zu den Menschen, auch wenn er sie meldet. Das, was ich für einen Menschen oder eine Gruppe hätte tun können und nicht getan habe, stellt eine »Kosten-Zweckmäßigkeit« (d.h. einen nicht gemachten Gewinn bzw. einen Verlust) für die betreffende Person oder Gruppe dar. Die Moral dieser Geschichte ist, daß jeder von uns eine Art Bankkonto beim anderen unterhält. Aus jeder Handlung oder Nichthandlung zieht jeder von uns einen Gewinn oder einen Verlust, gleichzeitig aber bestimmt er auch den Gewinn oder Verlust für den anderen. Gewinn und Verlust lassen sich zweckmäßigerweise durch eine Graphik darstellen, und die Tafel 1 zeigt das Grundmuster, das man hierfür verwenden kann. Die Graphik bezieht sich auf einen Menschen, den wir Hinz nennen wollen. Die X-Achse mißt den Gewinn, den Hinz aus seiner Tat zieht. Die Y-Achse verdeutlicht den Gewinn, den ein anderer Mensch oder eine andere Gruppe von Menschen in der Folge der Handlung unseres Hinz zu verbuchen hat. Der Gewinn kann positiv, null oder negativ sein. Ein negativer Gewinn ist ein Verlust. Die X-Achse mißt die positiven Gewinne unseres Hinz, und zwar rechts vom Nullpunkt, während die Verluste unseres Hinz links vom Nullpunkt angezeigt werden. Die Y-Achse verzeichnet entsprechend oberhalb oder

               Y-Achse     +
                              ^
                              |
                              |
                U            |            I
                              |
                              |
 - <-----------------------------------------> + X-Achse
                              |
                              |
                D            |           B
                              |
                              |
                              v   -

unterhalb des Nullpunkts die Gewinne oder Verluste der Person oder der Personengruppe, mit denen Hinz zu tun hat.

Um die Sache einmal deutlich zu machen, nehmen wir ein hypothetisches Beispiel, das sich auf die Tafel 1 bezieht. Hinz handelt gegenüber Kunz. Wenn Hinz aus seiner Tat einen Gewinn zieht und Kunz aus derselben Tat einen Verlust, wird dies in der Graphik mit einem Zeichen in Feld B eingetragen.

Die Gewinne und Verluste können auf den X- und Y-Achsen in Dollar, Mark oder Lire, wenn man Lust dazu hat, eingetragen werden, aber man muß auch die Belohnungen, psychologischen und gefühlsmäßigen Genugtuungen und den psychologischen und gefühlsmäßigen Streß eintragen. Natürlich handelt es sich dabei um immaterielle Güter (oder Übel), die sich mit objektiven Maßstäben nur schwer darstellen lassen. Eine Analyse, etwa in der Art einer Kosten-Nutzen Rechnung, kann da helfen und das Problem lösen, wenn auch nicht vollständig. Aber ich will den Leser nicht mit technischen Kleinigkeiten belästigen: eine Ungenauigkeitsmarge kann lediglich der Messung etwas anhaben, nicht aber der Kernfrage des Arguments. Eines sollte allerdings klar sein. Bei der Erwägung von Hinzens Tat und bei der Bewertung des Nutzens oder des Verlusts, die Kunz daraus entstehen, muß man von Hinzens Wertvorstellungen ausgehen; doch um Kunzens Gewinn oder Verlust zu ermitteln, ist es absolut notwendig, von Kunzens, und nicht von Hinzens Wertvorstellungen auszugehen. Es kommt viel zu häufig vor, daß man einfach über diese Regeln des fair play, hinausgeht, und viele Probleme kommen überhaupt erst zustande, weil man diesen Grundsatz zivilisierten Verhaltens nicht respektiert. Kehren wir noch einmal zu einem banalen Beispiel zurück. Hinz gibt Kunz einen Schlag auf den Kopf und empfindet darüber Genugtuung. Hinz könnte vielleicht die Meinung vertreten, daß Kunz glücklich sei, einen Schlag auf den Kopf erhalten zu haben. Aber es ist wesentlich wahrscheinlicher, daß Kunz nicht der gleichen Meinung ist wie Hinz. Im Gegenteil, Kunz könnte den Schlag auf seinen Kopf für einen äußerst bedauerlichen Unfall halten. Ob der Schlag auf Kunzens Kopf nun ein Gewinn oder ein Verlust für Kunz war, kann nur Kunz entscheiden und nicht Hinz.
 


Das Dritte (und goldene) Prinzip

Das Dritte Prinzip setzt voraus, obgleich es dies nicht deutlich ausspricht, daß die Menschen zu einer der folgenden vier Grundkategorien gehören: die Unbedarften, die Intelligenten, die Banditen und die Dummen. Der scharfsinnige Leser wird ohne Schwierigkeit verstehen, daß diese vier Kategorien den vier Feldern U, I, B und D der Ausgangsgraphik entsprechen (siehe Tafel 1).

Wenn Hinz eine Tat begeht und dabei einen Verlust einsteckt, zugleich aber Kunz damit einen Vorteil verschafft, wird Hinzens Zeichen in das Feld U eingetragen: Hinz hat sich als unbedarft erwiesen. Wenn Hinz eine Tat begeht und einen Vorteil daraus zieht, gleichzeitig aber auch Kunz einen Vorteil damit verschafft, wird sein Zeichen ins Feld I eingetragen: Hinz hat sich als intelligent erwiesen. Wenn Hinz eine Tat begeht, die ihm einen Vorteil, Kunz aber einen Verlust einbringt, wird Hinzens Zeichen ins Feld B eingetragen: Hinz hat sich wie ein Bandit benommen. Die Dummheit entspricht dem Feld D und allen Positionen auf der Y-Achse unterhalb des Nullpunkts.

Das Dritte Prinzip klärt ausdrücklich:

Ein dummer Mensch ist ein Mensch, der einem anderen Menschen oder einer anderen Gruppe von Menschen einen Schaden beibringt, ohne zugleich einen Gewinn für sich selbst dabei herauszuziehen oder sogar einen Verlust erleidet.

Wenn rational denkende Menschen mit dem Dritten Prinzip konfrontiert werden, reagieren sie instinktiv skeptisch und ungläubig. Das liegt in dem Umstand begründet, daß vernünftige Menschen Schwierigkeiten haben, sich ein unvernünftiges Verhalten vorzustellen. Aber lassen wir die Theorie beiseite und betrachten lieber, was uns tagtäglich im wirklichen Leben widerfährt. jeder von uns erinnert sich gewiß an einen Fall, in dem er unglücklicherweise mit einem anderen Menschen zu tun hatte, der sich ein Einkommen verschaffte, indem er uns einen Verlust beibrachte: wir waren einem Banditen in die Hände gefallen. Wir erinnern uns sicher auch an Fälle, in denen ein Mensch eine Tat beging mit dem Ergebnis, daß er einen Verlust verbuchen mußte, wir aber einen Gewinn einstecken konnten: in solchen Fällen hatten wir es mit einem Unbedarften zu tun. Gewiß können wir uns auch an Fälle erinnern, in denen ein Mensch eine Tat* beging, aus der beide Seiten Vorteile zogen: in diesen Fällen handelte es sich

[* Man beachte bitte die Präzisierung "ein Mensch beging eine Tat". Der Umstand, daß er die Tat begann, ist entscheidend für die Feststellung, daß er zu den Unbedarften gehört. Hätte ich die Tat begonnen, die über meinen Gewinn und seinen Verlust entschieden hätte wäre die Schlußfolgerung eine andere: in diesem Falle wäre ich nämlich ein Bandit gewesen.]

um einen intelligenten Menschen. Solche Fälle kommen ständig vor. Doch wenn man darüber genauer nachdenkt, wird man einräumen müssen, daß sie nicht die Gesamtheit der Ereignisse ausmachen, die unserem Leben tagein tagaus ihren Stempel aufdrücken. Unser Leben besteht auch aus Vorkommnissen, bei denen wir Geld, Zeit, Kraft, Appetit, Ruhe und unseren Humor verlieren, und das nur, weil sich irgendein absurdes Wesen eine völlig unwahrscheinliche Tat einfallen läßt und uns natürlich in einem Augenblick Schaden, Frustrationen und Schwierigkeiten zufügt, indem wir am wenigstens darauf gefaßt sind und am meisten durch sie inopportuniert werden, obgleich die Person aus dem, was sie tut, absolut keinen Gewinn ziehen kann. Es gibt auch keinerlei Erklärung dafür - oder besser gesagt, es gibt nur eine Erklärung: die zur Frage stehende Person ist dumm.
 

Die Verteilung der Häufigkeit

Die Handlungsweise des größten Teils der Menschen ist nicht kohärent. In bestimmten Situationen handelt eine Person beispielsweise intelligent, während sich dieselbe in anderen Situationen vollkommen unbedarft verhält.

Die einzige wichtige Ausnahme von der Regel bilden die Dummen, die normalerweise ein Höchstmaß an Kohärenz auf jedem ihrer Tätigkeitsgebiete an den Tag legen. Daraus folgt nicht, daß man nur die Werte dummer Menschen in die Graphik eintragen könnte. Wir können für jeden Menschen die ihm entsprechende Position auf dem Plan von Tafel 1 auf der Grundlage eines genau ermittelten Durchschnittswerts kalkulieren. Ein intelligenter Mensch kann sich durchaus manchmal wie ein Trottel verhalten, und genau so kann er manchmal wie ein Bandit auftreten. Da aber die betreffende Person im Grunde genommen intelligent ist, werden die meisten seiner Taten auch von der Intelligenz geprägt sein, und so wird sein ermittelter Durchschnittswert in das Feld 1 der Graphik Nr. 1 eingetragen. Der Umstand, daß man in die Graphik die Menschen statt ihre Taten eintragen kann, erlaubt uns eine kleine Abweichung von der Häufigkeit der Banditen und Dummen. Der perfekte Bandit ist der, der mit seinen Taten anderen ebenso hohe Verluste beibringt wie er Gewinne erzielt. Der grobschlächtigste Ausdruck von Banditentum ist der Diebstahl. Jemand, der einem 100 Mark klaut, ohne weiteren Schaden anzurichten, ist ein perfekter Bandit: der eine verliert 100 Mark, der andere bekommt 100 Mark. In unserer Graphik erscheinen die perfekten Banditen auf der 45° Diagonalen, die das Feld B in zwei vollkommen symmetrische Unterbereiche teilt (Linie 0M in der Tafel 2).

              Y-Achse     +
                              ^
                              |
                              |
                 U           |            I
                              |
                              |
 - <--------------------0--------------------> + X-Achse
                              |   \
                              |       \
                D            |           \       BI
                              |              \
                              |     BD        \
                             v  -                 M

Allerdings sind perfekte Banditen relativ selten. Die Linie 0M teilt das Feld B in die beiden Unterbereiche BI und BD und die weitaus größte Zahl der Banditen sammelt sich an irgendwelchen Punkten in diesen beiden Unterbereichen. Die Banditen, die das Feld BI besetzen, sind diejenigen, deren Gewinne höher sind als die Verluste, die sie anderen zufügen. Alle Banditen, die einen Punkt im Feld BI besetzen, sind unehrlich, verfügen aber gleichzeitig über einen hohen Intelligenzgrad, und je weiter sich ihre Position in die rechte Richtung auf die X-Achse zu verlagert, um so mehr treffen auf diese Banditen die Merkmale eines intelligenten Menschen zu. Unglücklicherweise sind diejenigen, die eine Position im Feld BI besetzen, nicht sehr zahlreich. Den größten Teil der Banditen findet man nämlich im Feld BD. Die zu diesem Feld gehörenden Banditen sind Menschen, deren Taten ihnen niedrigere Gewinne einbringen als die Verluste hoch sind, die sie anderen zufügen. Wenn ein Bandit dich zu Boden wirft, wobei du dir ein Bein brichst, und das nur, um 100 Mark zu klauen, oder er verursacht Schäden an deinem Auto, die 1000 Mark betragen, nur um ein Autoradio zu stehlen, für das er bestenfalls 50 Mark bekommt, wenn er einen Schuß auf dich abfeuert und dich dabei tötet, nur um in Gesellschaft deiner Frau eine Nacht in Monte Carlo zu verbringen, können wir vollkommen sicher sein, daß es sich dabei nicht um einen perfekten Banditen handelt. Selbst wenn wir seine Maßstäbe anlegen, um seinen Gewinn zu ermitteln (dagegen unsere Maßstäbe, um unseren Verlust zu ermitteln), gehört er in den Bereich BD, und zwar ganz dicht an die Grenzlinie zur reinen Dummheit.

Die Verteilung der Häufigkeit von dummen Menschen ist völlig verschieden von der von Banditen, Intelligenten und Unbedarften. Während diese zum größten Teil über das gesamte für sie bezeichnete Feld verstreut sind, häufen sich die Dummen längs der Y-Achse unterhalb des Nullpunkts. Der Grund dafür liegt darin, daß dumme Menschen in ihrem Kern unverrückbar dumm sind, mit anderen Worten: sie bestehen mit unvergleichlicher Beharrlichkeit darauf, anderen Schäden oder Verluste zuzufügen, ohne selbst einen Vorteil oder Gewinn daraus zu ziehen, sei dieser nun positiv oder negativ. Es gibt allerdings auch solche, die mit ihren unglaublichen Taten nicht nur anderen Personen Schaden zufügen, sondern auch sich selber. Bei ihnen handelt es sich um eine Art Super-Dumme, die in unserem Kalkulationssystem an irgendeinem Punkt im Feld D, links von der Y-Achse erscheinen.
 

Dummheit und Macht

Wie jeder Mensch, üben auch die Dummen mit unterschiedlicher Intensität ihren Einfluß auf andere aus. Einige Dumme verursachen normalerweise nur einen begrenzten Schaden, während andere durchaus in der Lage sind, nicht nur einer oder zwei Personen ungeheueren Schaden zuzufügen, sondern einer ganzen Gemeinschaft oder sogar Gesellschaft. Das Potential eines dummen Menschen, Schäden zu verursachen, hängt von zwei Hauptfaktoren ab. Vor allem vom genetischen Faktor. Einige Menschen erben beträchtliche Mengen von Dummheitsgenen. Dank dieser Erbmasse gehören sie vom Augenblick ihrer Geburt an zur Elite ihrer Gruppe. Der zweite, das Dummheitspotential eines Menschen bestimmende Faktor, hängt von der Macht und Autoritätsstellung ab, die er innerhalb der Gesellschaft einnimmt. Unter Bürokraten, Generälen, Politikern und Staatsoberhäuptern stößt man immer wieder auf den goldenen Prozentsatz S grundlegend dummer Individuen, deren Fähigkeit, dem Nächsten zu schaden, von ihrer Machtstellung, die sie innehatten (oder haben) bestimmt wurde (oder wird). In diesem Zusammenhang dürfen auch Kirchenminister nicht außer Acht gelassen werden.

Oft hört man vernünftige Leute fragen, wie und weshalb dumme Menschen überhaupt in der Lage sind, Macht- und Autoritätspositionen zu erlangen.

Klasse und Kaste (sei sie laizistisch oder kirchlich) waren die gesellschaftlichen Einrichtungen, die einen ständigem Fluß an dummen Personen in Machtstellungen innerhalb der meisten präindustrialisierten Gesellschaften ermöglicht haben. In der modernen Industriewelt verlieren Klasse und Kaste immer mehr an Bedeutung. Doch an ihre Stelle sind politische Parteien, Bürokratie und Demokratie getreten. Innerhalb eines demokratischen Systems sind die Wahlen zum Nationalparlament ein äußerst wirksames Instrument, die unveränderliche Beibehaltung des Anteils S unter den Mächtigen zu gewährleisten. Hier muß noch einmal auf das Zweite Prinzip hingewiesen werden, wonach ein Anteil S unter den Wählern dumm ist, und Wahlen bieten diesen Personen eine herrliche Gelegenheit, allen anderen Schaden zuzufügen, ohne selbst irgendeinen Gewinn daraus ziehen zu können. Sie tragen zur Verwirklichung dieses Objektivs bei, indem sie dafür sorgen, daß das Niveau S an dummen Personen, die die Macht ausüben, beibehalten wird.
 

Die Macht der Dummheit

Es fällt nicht schwer sich vorzustellen, wie die politische, wirtschaftliche oder bürokratische Macht das Gefährlichkeitspotential eines dummen Menschen steigert. Aber wir müssen auch erklären und verstehen, was eigentlich eine dumme Person so gefährlich macht, oder anders ausgedruckt: worin die Macht der Dummheit besteht.

Im Grunde sind die Dummen deshalb so gefährlich und verhängnisvoll, weil vernünftige Menschen sich nur schwer ein dummes Verhalten vorstellen, geschweige denn begreifen können. Ein intelligenter Mensch kann die Logik eines Banditen nachvollziehen. Die Taten eines Banditen folgen einem klaren, rationalen Modell: ein perverses Modell, mag man einwenden, aber es ist rational. Der Bandit will ein >Mehr< auf seinem Konto haben. Da er aber nicht intelligent genug ist, sich Methoden auszudenken, mit denen er ein >Mehr<, für sich und gleichzeitig ein >Mehr< für die anderen erzielen kann, bekommt er sein >Mehr<, indem er bei anderen ein >Weniger< verursacht. Das alles ist zwar nicht rechtens, aber es ist rational, und wenn man selbst rational denkt, läßt sich dies voraussehen. Man kann also die Taten eines Banditen, seine schmutzigen Tricks und seine bedauernswerten Absichten voraussehen und oft sogar die geeigneten Abwehrmaßnahmen ergreifen.

Bei einer dummen Person ist dies alles absolut unmöglich. Wie das Dritte Prinzip impliziert, wird man von einer dummen Person grundlos verfolgt, ohne genauen Plan, zu den unwahrscheinlichsten Zeiten und an den unvorstellbarsten Orten. Es gibt keinerlei rationale Methode, mit der man voraussehen könnte, wann, wo und warum eine dumme Person ihren Angriff auf einen startet. Einer dummen Person ist man hilflos ausgeliefert.

Weil nun aber die Taten einer dummen Person keiner rationalen Regel entsprechen, folgt daraus:

a) daß man im allgemeinen von ihrem Angriff überrascht wird,

b) daß man, auch wenn man sich des Angriffs bewußt wird, nicht in der Lage ist, eine rationale Abwehr aufzubauen, weil der Angriff selbst bar jeglicher rationaler Struktur ist.

Der Umstand, daß die Handlungsweise und Winkelzüge einer dummen Person absolut unzusammenhängend und irrational sind, macht nicht nur eine Abwehr problematisch, sondern läßt auch jeden Gegenangriff als äußerst schwierig erscheinen - es ist, als wollte man versuchen, auf einen Gegenstand zu schießen, der in der Lage ist, die unwahrscheinlichsten und unvorstellbarsten Bewegungen auszufahren. Das ist es, was Dickens und Schiller im Sinn hatten, wenn der eine behauptete, »mit Dummheit und guter Verdauung kann der Mensch vieles angehen« und der andere feststellte »Gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens«.

Man muß auch noch einen anderen Umstand in Betracht ziehen. Ein intelligenter Mensch weiß, daß er intelligent ist. Ein Bandit ist sich bewußt, ein Bandit zu sein. Ein Unbedarfter ist schmerzlich von dem Bewußtsein durchdrungen, unbedarft zu sein. Aber anders als alle diese Menschen, ist der Dumme sich nicht bewußt, dumm zu sein. Das trägt natürlich dazu bei, daß seine zerstörerischen Unternehmungen in Ihrer Wucht und Auswirkung ungeheuerlich potenziert werden. Der Dumme hat keine Ahnung von dem, was die Engländer self-consciousness nennen. Mit einem Lächeln auf den Lippen, so als würde er die natürlichste Sache der Welt tun, erscheint der Dumme urplötzlich und bringt deine Pläne durcheinander, zerstört deine Ruhe, macht dir dein Leben und deine Arbeit schwer, raubt dir dein Geld, deine Zeit, deinen Humor, deinen Appetit, deine Produktivität - und das alles ohne jede Böswilligkeit, ohne jeden Gewissensbiß, ohne jeden Grund. Dummerweise.
 


Das Vierte Prinzip

Es erstaunt nicht, daß unbedarfte Menschen - das sind die, die in unserem System in Feld U erscheinen - in aller Regel die Gefährlichkeit dummer Personen nicht erkennen. Dieser Umstand ist nichts anderes als ein anderer Ausdruck Ihrer Unbedarftheit. Was dagegen wirklich überraschend ist, ist die Tatsache, daß auch intelligente Menschen und Banditen oftmals nicht in der Lage sind, die zerstörerische Macht der Dummheit zu erkennen. Warum das so ist, ist außerordentlich schwierig zu erklären. Man kann nur vermuten, daß sowohl intelligente Menschen wie auch Banditen den Fehler begehen, in Selbstzufriedenheit und Verachtung zu schwelgen, wenn sie es mit Dummen zu tun haben, statt sofort hohe Mengen von Adrenalin auszustoßen und in Abwehrstellung zugehen.

Man ist auch allgemein der Ansicht, daß ein dummer Mensch nur sich selbst schade, aber das bedeutet nichts anderes, als daß man Dummheit mit Unfähigkeit verwechselt. Manchmal ist man sogar versucht, mit einer dummen Person gemeinsame Sache zu machen, und zwar mit dem Ziel, sie für seine eigenen Zwecke einzuspannen. Ein derartiger Versuch kann nur zwei verheerende Auswirkungen haben, weil er:

a) auf dem völligen Unverständnis des eigentlichen Wesens der Dummheit basiert und

b) der dummen Person noch einen weiteren Raum zur Ausübung ihrer Talente zur Verfügung stellt.

Jemand kann sich zwar in dem Glauben wiegeln, eine dumme Person zu manipulieren, was ihm auch bis zu einem gewissen Grad gelingen kann. Doch aufgrund des unbeständigen, erratischen Verhaltens von Seiten des Dummen, lassen sich seine Handlungen und Reaktionen nicht voraussehen, und binnen kürzester Zeit wird man selbst durch die unvorhersehbaren Handlungen des Dummen ausgerodet und zermalmt.

Das alles ist im Vierten Prinzip klar auf den Punkt gebracht, das besagt:

Menschen, die nicht dumm sind, unterschätzen stets das Gefährlichkeitspotential dummer Menschen. Vor allem vergessen Menschen, die nicht dumm sind, ständig, daß Verhandlungen und/oder Verbindungen zu jedwedem Zeitpunkt, an jedwedem Ort und unter jedwedem Umstand mit dummen Personen sich unweigerlich als teurer Irrtum herausstellen wird.

Im Verlauf der Jahrhunderte haben ungezählte Personen im öffentlichen und privaten Lebens das vierte Prinzip nicht beherzigt, und dies hat zu unschätzbaren Verlusten an Menschenleben geführt.
 


Makroanalyse und das Fünfte Prinzip

Die abschließenden Erwägungen des vorhergehenden Kapitels leiten zu einer Art, Makroanalyse, über, in der an Stelle des individuellen Wohlstands der Wohlstand der Gesellschaft untersucht werden soll, was in diesem Zusammenhang als die algebraische Summe des individuellen Wohlstands definiert ist. Ein gründliches Verständnis des Fünften Prinzips ist unabdingbar für die folgende Analyse. Außerdem muß hinzugefügt werden, daß von den fünf Prinzipien das Fünfte sicher das bekannteste ist, und sein logischer Folgesatz wird oft zitiert. Es besagt:

Der dumme Mensch zählt zu den gefährlichsten Mensehen, die es gibt.

Der logische Folgesatz dieses Gesetzes lautet:

Der Dumme ist gefährlicher als der Bandit.

Die Formulierung dieses Gesetzes und seines logischen Folgesatzes gehört noch in den Mikrobereich. Wie allerdings weiter oben angedeutet wurde, haben das Gesetz und sein logischer Folgesatz tiefreichende Wurzeln im Makrobereich. Das Wesentliche, das im Auge behalten werden muß, ist dies: das Ergebnis der Tat eines perfekten Banditen (des Menschentyps also, der auf die Linie 0M der Tafel 2 fällt) stellt schlicht und einfach nichts anderes dar, als die Verlagerung von Reichtum und/oder Wohlstand. Nachdem ein perfekter Bandit seine Tat begangen hat, verfügt er über ein>Mehr< auf seinem Konto, und dieses >Mehr< entspricht genau dem >Weniger<, das er einem anderen Menschen zugefügt hat. Für die Gesellschaft als Ganzes hat sich die Situation weder verbessert noch verschlechtert. Wenn alle Mitglieder einer Gesellschaft perfekte Banditen wären, würde die Gesellschaft zwar stagnieren, aber es würden weiter keine großen Katastrophen eintreten. Alles würde sich auf die massive Verlagerung von Reichtum und Wohlstand zu Gunsten derer beschränken, die die Tat ausführen. Wenn alle Mitglieder der Gesellschaft reihum diese Tat begingen, befände sich nicht nur die Gesellschaft als Ganzes, sondern auch ihre einzelnen Individuen in einem Zustand vollkommener Stabilität.

Aber wenn sich die Dummen daran zu schaffen machen, ist das schon ein ganz anderes Paar Stiefel. Dumme Menschen fügen anderen Menschen Verluste zu, ohne daraus Vorteile für sich selber zu ziehen. Daraus folgt, daß die gesamte Gesellschaft verarmt.

Das in den graphischen Grundmustern ausgedrückte Kalkulationssystem zeigt, daß alle Taten, die von Menschen begangen werden, die in den Bereich rechts von der P0M-Linie (siehe Tafel 3) fallen, den Wohlstand einer Gesellschaft erhöhen, wenn auch graduell unterschiedlich, während die Taten aller Personen, die in den Bereich links der P0M-Linie fallen, die Gesellschaft verarmen.

                Y-Achse    +
                              ^
       P                     |
            \       UI       |
                 \             |            I
          U     \         |
                        \     |
 - <--------------------0--------------------> + X-Achse
                              |   \
                              |       \
                D            |           \       BI
                              |              \
                              |     BD        \
                             v  -                 M

Mit anderen Worten: die Unbedarften, die mit gewissen Elementen von Intelligenz, die über dein Durchschnitt ihrer Kategorie liegen (Bereich UI), wie auch die mit Intelligenz begabten Banditen (Bereich BI), vor allem aber die Intelligenten selber (Feld I) tragen alle, wenn auch in unterschiedlichem Maß, dazu bei, den Wohlstand der Gesellschaft zu vermehren. Andererseits verursachen Banditen, die mit Dummheit geschlagen sind (Bereich BI, und Unbedarfte mit starken Elementen von Dummheit (Bereich UD, nichts anderes, als Verluste, und zwar zusätzlich zu denen, die bereits von den Dummen verursacht worden sind, womit die ersten beiden Gruppen die unheilvolle zerstörerische Macht der letzten noch vermehrt.

Das alles gibt Anlaß zu einigen Gedankengängen über die Rolle der Gesellschaft. Dem Zweiten Prinzip zufolge ist der Anteil dummer Menschen eine Konstante S, die weder von Raum, noch Zeit, noch Rasse, noch Klasse, noch von irgendeiner anderen historischen oder sozio-kulturellen Variablen beeinflußt wird. Es wäre ein schwerer Irrtum anzunehmen, daß die Zahl der Dummen in einer sich im Niedergang befindlichen Gesellschaft höher sei als in einer sich in Aufstieg befindlichen Gesellschaft. Beide sind gleichermaßen mit demselben Prozentanteil an Dummen geschlagen. Der Unterschied zwischen beiden Gesellschaften besteht darin, daß es in der sich im Niedergang befindlichen Gesellschaft:

a) den dummen Mitgliedern der Gesellschaft von den anderen Mitgliedern gestattet wird, aktiver zu werden; b) eine Veränderung in der Zusammensetzung der nicht-dummen Bevölkerung gibt, und zwar mit einer relativen Zunahme der Bevölkerungen in den Feldern D und BD.

Diese Hypothese ist hinreichend bestätigt durch gründliche Analysen historischer Fälle. Die historische Analyse erlaubt uns sogar, die theoretischen Schlußfolgerungen noch konkreter und mit noch realistischeren Einzelheiten neu zu formulieren.

Ganz gleich, ob man das klassische Altertum, das Mittelalter oder die Gegenwart betrachtet - man stellt überrascht fest, daß jede sich im Aufstieg befindliche Gesellschaft ihren Anteil S an dummen Menschen hat. Allerdings hat jede sich im Aufstieg befindliche Gesellschaft auch einen ungewöhnlich hoben Prozentanteil an intelligenten Menschen, die versuchen, den Anteil S unter Kontrolle zu halten und zugleich sowohl sich selbst als auch den anderen Mitgliedern der Gemeinschaft so ausreichende Gewinne zu erschaffen, daß der Fortschritt gesichert wird.

In einem sich im Niedergang befindlichen Land ist der Anteil an dummen Menschen immer gleichbleibend s; dennoch beobachtet man in der übrigen Bevölkerung, vor allem bei denen, die Macht ausüben, eine alarmierende Ausweitung des Banditentums mit einem hohen Prozentsatz an Dummheit (Unterbereich BD im Feld B auf Tafel 3), und bei denen, die keine Macht ausüben, eine gleichermaßen alarmierende Zunahme der Zahl von Unbedarften (Feld U im graphischen Grundmodell, Tafel 1). Diese Veränderung in der Zusammensetzung der nicht-dummen Bevölkerung stärkt unvermeidlich die zerstörerische Macht des Anteils S der Dummen und führt das Land in den Ruin.
 

Appendix

Im folgenden kann der Leser mehrere graphische Darstellungen verwenden, um die Taten von Personen oder Gruppen einzutragen, mit denen er ständig zu tun hat. Dies erlaubt ihm, genaue Wertungen dieseruntersuchten Personen oder Gruppen zu formulieren und dementsprechend eine vernünftige Handlungsstrategie ihnen gegenüber zu entwickeln.
 

                 Leser       +
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                              |
                              |
                U            |            I
                              |
                              |
 - <--------------------0--------------------> + Person/Gruppe
                              |
                              |
                D            |           B
                              |
                              |
                             v  -
 
 
 
 

Frei nach: Carlo M. Cipolla, Le leggi fondamentali della stupidità umana.
in: C. M. Cipolla, Allegro ma non troppo. Bologna: il Mulino 1988.

Da die Zahl der Dummen stets unterschätzt wird, gibt es sie auch auf
Spanisch: http://bugs.invest.uv.mx/~nahum/lckuri/stupi2.htm
und Englisch: http://www12.geocities.com/RainForest/3621/STUPID.HTM

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