Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung

Wir haben jetzt alle Voraussetzungen entwickelt, um die Verteilung der Komponenten der Teilchengeschwindigkeiten in einem perfekten Gas herleiten zu können. Die drei Komponenten vx, vy und vz sind voneinander unabhängig, deshalb ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Teilchen eine Geschwindigkeit mit Komponenten zwischen vx und vx + dvx und vy und vy + dvy und vz und vz + dvz hat, gleich dem Produkt der einzelnen Wahrscheinlichkeiten:

F(v) dv = f(vx) f(vy) f(vz) dvx dvy dvz

Wir bringen jetzt ein, dass die Geschwindigkeitsverteilung F(v) raumsymmetrisch sein soll, dass also F(v) nur von der Geschwindigkeit v und nicht von den einzelnen Komponenten vx,vy und vz abhängen soll. Beispielsweise soll eine Geschwindigkeit mit den Komponenten vx = 0,2 km/s; vy = 0,3 km/s und vz = 0,6 km/s, also dem Betrag v = (0,22 + 0,32 + 0,62)1/2 = 0,7 km/s, gleich wahrscheinlich sein, wie eine Geschwindigkeit mit dem Komponenten vx = 0,6, vy = 0,2 und vz = 0,3 km/s oder irgend eine andere mit v = 0,7 km/s. Weil F demnach nur von v2 = vx2 + vy2 + vz2 abhängen soll, schreiben wir einfach

F(vx2 + vy2 + vz2) = f(vx)f(vy)f(vz).

Diese Gleichung kann nur von einer Exponentialfunktion erfüllt werden, denn es ist ex+y+z = exeyez. Wir können also direkt schreiben

f(vx) = ae±b·vx²

wobei die Konstanten a und b noch zu bestimmen sind. Die Lösung erfüllt unsere Bedingung

f(vx)f(vy)f(vz) = a3e±b(vx² + vy² + vz²)  =  F(vx2 + vy2 + vz2).

Die Zweideutigkeit des Vorzeichens ist schnell beseitigt: Die Wahrscheinlichkeit darf nicht ins Unendliche wachsen, es kommt also nur das negative Vorzeichen in Frage. Die Konstanten a und b lassen sich wie folgt berechnen. Da jedes Teilchen irgendeine Geschwindigkeit zwischen -∞ und + haben muss, gilt:
 

 -∞f(vx)dvx = 1.

Wir erhalten:

-∞f(vx)dvx = a -∞e-bvx²dvx = a(π/b)½ = 1.

Es ist also a = (b/π)½ und damit

f(vx) = (b/π)½e-b·vx²

Die Größe b bestimmen wir über den Mittelwert von vx2   :

<vx2>= -∞vx2f(vx)dvx = (b/π)½ -∞vx2e-b·vx²dvx.

Das Integral ergibt 1/2(π/b3)½ und daher

<vx2>= (b/π)½   1/2(π/b3)½ = 1/(2b)

Wir kennen bereits <vx2>, denn es gilt ja

1/2m<v2> = 1/2m(<vx2> + <vy2> + <vz2>) = Ekin

Da im Mittel die Beiträge bzgl. x,y,z gleich sein müssen, gilt

1/2m<vx2> = 1/3 Ekin = 1/2kT,

d.h. <vx2> = kT/m. Man nennt dies das Gleichverteilungsgesetz.
Nach Einsetzen in die obige Gleichung <vx²> = ½ b = kT/m gewinnen wir

b =  m/2kT

und die vollständige Formel für die Verteilung der Geschwindigkeitskomponenten lautet:
 

f(vx) = (m/2πkT)½ e-mvx²/2kT

Man nennt diese Gleichung die Maxwell-Boltzmann-Verteilung der Molekülgeschwindigkeiten (Hier etwas über Clerk Maxwell und Ludwig Boltzmann).
Mit Hilfe der hochauflösenden Spektroskopie kann diese Geschwindigkeitsverteilung über den Doppler-Effekt indirekt nachgewiesen werden.
Die Verteilung der Teilchengeschwindigkeiten ohne Berücksichtigung ihrer Richtung erhält man in der folgenden Weise. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Teilchen Geschwindigkeitskomponenten zwischen vx und vx + dvx und vy und vy + dvy und vz und vz + dvz hat, ist gegeben durch:

F(v)dv = f(vx)f(vy)f(vz)dvxdvydvz = (m/2πkT)3/2 e-mv²/2kT dvxdvydvz.

Wie müssen nun noch das Volumenelement dvxdvydvz, was einen Quader mit den Seitenlängen dvx, dvy und dvz entspricht, in ein Volumenelement umrechnen, welches nur von v abhängt. Dies ist einfach die Kugelschale (4πv²) mit dem Radius v und der Dicke dv:

4πv²dv  =  dvx · dvy · dvz

So ergibt sich
 

F(v) = 4π(m/2πkT)3/2v2e-mv²/2kT

Das ist die sogenannte Maxwell-Verteilung der Molekülgeschwindigkeiten (Originalveröffentlichung).
 
Abb. 1: Geschwindigkeitsverteilung für Stickstoff bei verschiedenen Temperaturen

 

Eigenschaften der Maxwell-Verteilung:

Die Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung ist in der Abb. für N2 bei  T = 100 K und  T = 300 K dargestellt.  Man erkennt, dass die Verteilung bei höheren Temperaturen breiter wird und dass die wahrscheinlichste Geschwindigkeit vm (definiert durch das Maximum der Verteilungskurve) bei höheren Temperaturen zu größeren Werten verschoben ist. vm erhalten wir aus der Extremwertbestimmung von F(v):
 


dF(v)/dv  =   0  


vm = (2kT/m)½

Sie unterscheidet sich ein wenig von der quadratisch gemittelten Geschwindigkeit
 

<v2>½ = (3kT/m)½

 Die mittlere Geschwindigkeit <v> erhalten wir durch Auswerten des Integrals  <v>= ovF(v)dv:
 

<v> = (8kT/πm)½

Bei leichteren Teilchen sind die mittleren Geschwindigkeiten größer als bei schweren Teilchen; die Tabelle enthält einige Zahlenwerte:
 

                       Geschwindigkeiten (25°C) /ms-1
Teilchenart <v> vm <v²>½
He
  1256 
  1113 
  1363 
N2
475
 421
 516
CO2
379
 336
 411
C6H6
284
 252
 308

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