Plasmen
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Abb.
1: Zustandsflächen der acht Aggregatzustände (die Übergänge
sind schematisiert, weil das Modell keinen speziellen Stoff, sondern das
ungefähre Verhalten aller Stoffe darstellen soll; z.B. ist der van
der Waals - Maxwell - Übergang gasförmig-kondensiert nicht erkennbar).
(1): Gas; (2, 3): flüssig-fest;
(4): Plasma; (5): Elektronen - Fermi-Gas; (6): Relativistisches Fermi-Gas;
(7): Neutronengas; (8): Photonengas; (9): Relativistisches Neutronengas-Schwarzes
Loch |
Mit steigender Temperatur schließt sich an die drei klassischen
Aggregatzustände ein vierter, der Plasmazustand an. Der größte
Teil der Materie im Weltall ist hochionisiert, ist ein Plasma. Man
kann aus Gasatomen oder -molekülen Elektronen abtrennen, also diese
Teilchen ionisieren, indem man thermische, optische, elektrische oder kinetische
Energie zuführt. Wir betrachten hier zunächst die thermische
Ionisation durch Stoß mit anderen Gasteilchen.
Die Ablösearbeit Ei eines Elektrons vom Atom oder Molekül,
also die Ionisierungsenergie, liegt in der Größenordnung
10 eV (etwas weniger bei Metallen, besonders Alkalien, etwas mehr bei Nichtmetallen).
Auch hier haben bei hinreichend hoher Temperatur einige Teilchen im Schwanz
der Maxwell-Verteilung genügend hohe kinetische Energien, um stossionisieren
zu können. Im thermischen Gleichgewicht ergibt sich der Ionisierungsgrad,
d.h. ein für ein festes Volumen betrachtetes Verhältnis der Ionenzahl ni zur Gesamtteilchenzahl n aus der Boltzmann-Verteilung: Die ni ionisierten Teilchen liegen energetisch mindestens um Ei höher
als die n0 = n-ni Teilchen, die ihr
Elektron noch besitzen (mindestens um Ei, weil Elektron und
Ion auch kinetische Energie haben können).
So geht der Faktor e-Ei/(kT) in die so genannte Eggert-Saha-Gleichung ein.
Sie beschreibt für schwache Ionisation von Plasmen den relativen Anteil geladener Teilchen, d.h. Elektronen und ionisierter Atome.
In ihr steht der Faktor gi/g0 für die statistischen Gewichte (Wahrscheinlichkeitssummen) von Elektron-Ion-Paar und neutralem Teilchen.
Natürlich gibt es keinen scharfen Übergang zwischen Gas und
Plasma, aber nach der Eggert-Saha-Gleichung steigt der Ionisationsgrad in
einem Bereich von einigen 1000 K von fast 0 auf fast 1. Bei sehr hohem
Druck kommt man noch zu weiteren Aggregatzuständen, in denen die Materie
ganz neue Eigenschaften entwickelt (Abb. 1): Zum Fermi-Gas, zum
relativistischen
Fermi-Gas, zum Neutronengas.
Plasmen sind im wesentlichen quasineutral, enthalten also gleich viele
positive wie negative Ladungen. Trennung und Isolierung makroskopischer
Mengen geladener Teilchen würde ja so ungeheure Kraft erfordern, wie
sie nirgends verfügbar ist. Lokale Abweichungen von der Quasineutralität
in mikroskopischen Bereichen sind dagegen die Regel. Rings um jede positive
Ladung überwiegen die negativen als Debye-Hückel-Wolke und umgekehrt.
Sind Atome mit hoher Elektronenaffinität (Halogene, Chalkogene usw.)
vorhanden, dann lagern sich die von den positiven Ionen abgespaltenen Elektronen
an sie an. Das Plasma besteht dann aus Ionen beider Vorzeichen. Bei höheren
Temperaturen, wenn die Ionisierung die Außenschalen aller Atome erfasst,
gibt es nur noch positive Ionen und Elektronen. Wegen ihrer geringen Masse
bewegen sich die Elektronen viel schneller als die Ionen, sowohl thermisch
als auch im elektrischen Feld. Sie fliegen durch ein praktisch unbewegliches
Ionengitter, das allerdings im Unterschied zum Festkörper ungeordnet
ist. Daher bestehen enge Beziehungen zwischen Plasma- und Festkörperphysik.
Ein Plasma besteht aus mindestens drei Teilsystemen: Dem Elektronengas,
dem Ionengas und dem Neutralgas, wozu man noch das "Gas"
der Photonen des emittierten Lichts rechnen kann. Durchaus nicht immer
stehen alle Teilsysteme untereinander im thermischen Gleichgewicht, selbst
wenn innerhalb jedes Systems ein solches Gleichgewicht herrscht. Dementsprechend
kann jedes Teilsystem seine eigene Temperatur haben. Das ist typisch für
Gasentladungen. Die Energie aus der äußeren Spannungsquelle
teilt sich zunächst den Elektronen mit und geht erst allmählich
auf die Ionen und noch viel unvollständiger auf das Neutralgas über.
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Abb.
2: Elektronendichte in der Atmosphäre als Funktion der Höhe
zu einer Zeit relativ starker Ionisation. |
Neben der thermischen ist auch die Ionisation durch Licht von Bedeutung.
Sie tritt durch kurzwellige Anteile der Sonnenstrahlung (vom mittleren UV bis ins weiche Röntgengebiet) in den oberen Schichten unserer Erdatmosphäre auf und führt zur Dissoziation der Luftbestandteile (O2, O, N2, NO) und
erzeugt damit in relativ dünnen Höhenzonen hohe Elektronen- und
Ionenkonzentrationen ne bzw. ni, die so genannte Ionosphäre.
Jede dieser Schichten, die einem bestimmten Ionisierungsprozess entspricht,
hat ein scharfes Maximum in der Höhenverteilung von ne(Abb.
2). Das Maximum und seine Schärfe kommen deswegen zustande, weil schon
einige Dutzend Kilometer oberhalb davon zu wenige ionisierbare Teilchen da sind
(exponentieller Abfall der Dichte mit der Höhe), während schon
einige km darunter die zur Ionisierung fähigen Strahlungskomponenten
eben infolge dieser Ionisierungsprozesse zu schwach geworden ist. So ergeben
sich, besonders bei Tage, Elektronenkonzentrationen bis zu
107/cm3, die nachts infolge der Rekombination auf
105/cm3 bis 106/cm3 abfallen. Beiderseits
des Maximums sind natürlich auch kleinere Elektronenkonzentrationen anzutreffen. Dies hat drastischen
Einfluss auf den Funkverkehr. Der
klassische Funkverkehr (Lang-, Mittel- und Kurzwelle) wäre ohne die
Ionosphäre überhaupt nicht möglich. Eine Radiowelle der
Frequenz ν kommt in Resonanz mit den Ionosphärenelektronen.
Die Folge ist ein eigenartiges Dispersions- und Absorptionsverhalten. Die
Radiowelle wird in einem großen Bereich des Einfallwinkels total reflektiert
- genau in der Resonanz νp, also
bei ν = νp
sogar bei senkrechtem Einfall, was die "Echoauslotung" der Ionosphäre
ermöglicht. Längstwellen und Kurzwellen (5 bis 30 km bzw. 10
bis 20 m) erhalten so ihre enorme Reichweite, die Längstwellen durch
einen Hohlleitereffekt, die Kurzwellen durch Vielfachreflexion an der Ionosphäre. Lang- und Mittelwellen (200 m bis 5000 m) hingegen werden stark absorbiert und durch Interferenzen zwischen direkten und indirekten Wellen (fading)
verzerrt. Nur Wellen oberhalb einer Maximalfrequenz νm,
die durch die Langmuir-Frequenz eines Plasmas νm
∼ √ne gegeben ist und für die Ionosphäre bei einigen
MHz liegt, dringen glatt durch die Ionosphäre (also UKW-, Fernseh-
und Radarwellen usw.), was einerseits die Kommunikation mit Raumfahrzeugen
gestattet, andererseits aber die Reichweite eines UKW- oder Fernsehsenders
auf den "optischen Horizont" beschränkt.

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