Nun wenden wir uns den Enthalpieänderungen zu, die bei chemischen Reaktionen auftreten. Allgemein ist die Standardreaktionsenthalpie ΔRH° die Enthalpie der Umwandlung von Ausgangsstoffen im Standardzustand in Produkte im Standardzustand:
CH4 (g) + 2O2 (g) → CO2 (g) + 2H2O (l), ΔRH° (298 K) = - 890 kJ/mol.
Dieser Standardwert bezieht sich auf die vollständige Umsetzung (immer bei 0,1 MPa) von 1 mol reinem, gasförmigem CH4 mit 1 mol reinem, gasförmigem Sauerstoff unter Bildung von 1 mol reinem, gasförmigem CO2 und 2 mol reinem, flüssigem Wasser; alle Stoffe haben dabei eine Temperatur von 298 K. Eine Kombination aus chemischer Reaktionsgleichung und Bilanz der Standardenthalpien nennt man thermochemische Gleichung.
Bis hierher haben wir eine allgemeine Erklärung des Begriffs der Standardreaktionsenthalpie gegeben. Nun wollen wir die Bedeutung des Zusatzes "pro Mol" zum Wert ΔRH° etwas genauer erklären. Dazu betrachten wir als Beispiel die Reaktion
2A + B → 3C + D
oder in einer anderen Schreibweise
0 = 3C + D - 2A - B
Dieser Ausdruck entsteht durch Subtraktion der Ausgangsstoffe auf beiden
Seiten, außerdem wurde der Reaktionspfeil durch ein Gleichheitszeichen
ersetzt. Diese Gleichung hat die allgemeine Form
0 = ΣJνJJ; |
hierbei sind J die Stoffe und νJ die entsprechenden stöchiometrischen Koeffizienten in der Reaktionsgleichung:
νA = -2, νB = -1, νC = +3 und νD = +1.
Man beachte, dass wir folgende Konventionen verwenden: Die stöchiometrischen Koeffizienten der Ausgangssstoffe sind negativ, die der Produkte positiv.
Die Standardenthalpie für die formulierte Reaktion ist definiert als Differenz zwischen den molaren Standardbildungsenthalpien der Produkte und der Ausgangsstoffe, jeweils gewichtet mit den Stöchiometriezahlen aus der Gleichung:
ΔRH° = {3 xΔBH°(C) + ΔBH°(D)} - {2 x ΔBH°(A) + ΔBH°(B)}.
ΔBH°(J) ist hier die molare
Standardenthalpie der Spezies J bei der gegebenen Temperatur. Dieser Ausdruck
ist ein Spezialfall der allgemeinen Definition
ΔRH° = ΣJνJΔBH°(J) |
Dies läßt sich leicht nachprüfen, indem man die Stöchiometriezahlen einsetzt.
Aus der Reaktionssgleichung
N2(g) + 3H2(g) → 2NH3(g)
liest man z.B. die Stöchiometriezahlen
ν(N2) = -1, ν(H2) = -3 und ν(NH3) = +2
ab; die Standardreaktionsenthalpie ist damit
ΔRH° = 2 xΔBH°(NH3) - {ΔBH°(N2) + 3 x ΔBH°(H2)}.
Für Standardenthalpien einiger besonders wichtiger Reaktionen werden
spezielle Namen verwendet. So ist die Standardverbrennungsenthalpie ΔCH°
die Standardreaktionsenthalpie der vollständigen Oxidation einer organischen
Verbindung zu CO2 und H2O (wenn die Substanz nur
C, H, und O enthält) und N2 (wenn auch Stickstoff Bestandteil
der Verbrennung ist). Die thermochemische Reaktion, auf die sich die Verbrennungsenthalpie
bezieht, schreibt man stets so auf, dass die Ausgangsverbindung die
Stöchiometriezahl (-1) erhält. Ein Beispiel ist die Verbrennung
von Glucose:
C6H12O6 (s) + 6O2 (g) → 6CO2 (g) + 6H2O, ΔCH° = - 2808 kJ mol-1.
Das bedeutet: Wenn 1 mol C6H12O6 (oder
180g) unter Standardbedingungen bei 298 K verbrannt wird, wird eine Wärmemenge
von 2808 kJ freigesetzt. Ein Kilo "Zucker" liefert danach 15600 kJ.
Der Satz von Hess
Die Standardenthalpien komplexer Reaktionen kann man durch geeignete Kombinationen der Enthalpien einfacher Teilreaktionen bestimmen. Dies ist eine spezielle Anwendung des Ersten Haupsatzes der Thermodynamik.
Satz von Hess: Die Standardenthalpie einer Reaktion ist gleich der Summe der Standardenthalpien einer Folge von Reaktionen, in die die betreffende Reaktion formal zerlegt werden kann.
Diese Einzelschritte müssen praktisch nicht unbedingt realisierbar sein; die Zerlegung kann in rein hypothetische Teilreaktionen erfolgen, einzig unter der Bedingung, dass die Stoffbilanz erfüllt ist. Thermodynamisch ist die Gültigkeit des Satzes von Hess damit zu begründen, dass die Enthalpie eine Zustandsfunktion und ihr Wert damit wegunabhängig ist, solange Ausgangsstoffe und Produkte der Bruttoreaktion gleich bleiben.
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