Die Umwandlung von Graphit in Diamant ist ein Beispiel für einen Phasenübergang, der ohne Änderung der chemischen Zusammensetzung des Systems verläuft. Wir müssen dank der Themoodynamik, dass freiwillige Zuständsänderungen immer in Richtung kleinerer Freier Enthalpie G des Systems verlaufen ΔG < 0. Da wir uns ausschließlich mit reinen Stoffen beschäftigen werden, entspricht die molare Freie Enthalpie Gm= G/n dem chemischen Potential µ; die Zustandsänderungen des Systems verlaufen also in Richtung geringeren chemischen Potentials: Ein reiner Stoff mit hohem chemischen Potentuial strebt spontan einen Zustand mit niedrigerem chemischen Potential an. Daher der Name "chemisches Potential".
Materie mit homogener chemischer Zusammensetzung und räumlich konstantem physikalischem Zustand nennt man eine Phase des betreffenden Stoffes (die Bezeichnung geht auf das griechische Wort φασιζ für "Erscheinung" zurück). Neben der festen, flüssigen und gasförmigen Phase einer Substanz kann es auch verschiedene feste Phasen geben (wie weißer und schwarzer Phosphor oder Graphit und Diamant). Ein Phasenübergang ist die spontane Umwandlung einer Phase in eine andere; er findet bei gegebenem Druck bei einer charakteristischen Temperatur statt. Da unterhalb von 0°C Eis die stabilste Phase von Wasser, oberhalb von 0°C die Flüssigkeit der stabilere Zustand bei 1 bar ist, muss das chemische Potential von Eis unter 0°C niedriger sein als das von flüssigem Wasser, µ(s) < µ(1), während über 0°C µ(1) < µ(s) ist. Am Punkt der Phasenübergangstemperatur sind beide chemischen Potentiale gleich: µ(s) = µ(1).
Wir müssen zwischen der Thermodynamik und der Geschwindigkeit dieser
Prozesse unterscheiden; denn ein Übergang, der thermodynamisch freiwillig
verläuft, kann sehr langsam vonstatten gehen und daher ohne praktische
Bedeutung sein. So ist bei normaler Temperatur und normalem Druck das chemische
Potential von Graphit niedriger als das von Diamant - aus thermodynamischer
Sicht würde man erwarten, dass sich Diamant spontan in Graphit
umwandelt. Dazu müßte sich allerdings die räumliche Anordnung
der Kohlenstoffatome massiv ändern; derartige Vorgänge laufen
in Feststoffen unmeßbar langsam ab (außer bei sehr hoher Temperatur).
Es ist also eine kinetische und keine thermodynamische Frage, wie
schnell sich ein Phasengleichgewicht einstellen kann. In Gasen und
Flüssigkeiten beobachtet man hohe Geschwinigkeiten von Phasenübergängen,
da die Moleküle viel beweglicher sind; in Festkörpern hingegen
können thermodynamische instabile Zustände sozusagen "eingefroren"
werden. Derartige thermodynamische instabile Phasen, die nur existieren
können, weil der Phasenübergang kinetisch gehemmt ist, nennt
man metastabile Phasen oder kinetisch stabile Phasen. Ein
Beispiel ist Diamant; unter normalen Bedingungen die metastabile Phase
des Kohlenstoffs.
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