Die Gleichgewichtseigenschaften von Lösungen und Mischungen werden
duch thermodynamische Zustandsfunktionen wie p, V, T, U, H, S, A oder G
beschrieben und wir wollen jetzt der Frage nachgehen, wie diese Eigenschaften
von der Konzentration der verschiedenen Komponenten abhängen.
Das Volumen ist in der Regel nicht gleich der Summe der Volumina der
einzelnen Komponenten. Wenn wir zum Beispiel bei 25°C 100 ml Alkohol
mit 100 ml Wasser mischen, dann beträgt das Volumen der Lösung
nicht 200 ml, sondern nur etwa 190 ml. Die beim Mischen auftretende Volumenänderung
hängt von den relativen Mengen der beiden Komponenten in der Lösung
ab.
Wenn wir dnA Mol eines Stoffes A und dnB Mol eines Stoffes B zu einer Lösung geben [V = (nA, nB)], dann gilt für die Volumenzunahme dVp,T bei konstanter Temperatur und konstantem Druck das vollständige Differential:
dV = (∂V/∂nA)nB dnA + (∂V/∂nB)nA dnB
Wir wollen also eine Lösung aus nA Molen der Komponente
A und nB Molen der Komponente B betrachten. Das Ausgangsvolumen
V der Lösung sei so groß, dass die Zugabe eines weiteren
Mols A oder B die Konzentration der Lösung nicht merklich verändert.
Wir geben nun ein Mol A zu dieser großen Menge an Lösung und
messen die Volumenzunahme der Lösung bei konstanter Temperatur
und konstantem Druck. Diese auf ein Mol A bezogene Volumenzunahme nennen
wir das partielle Molvolumen von A in der Lösung bei
festgelegten Werten für Druck, Temperatur und Zusammensetzung. Das
partielle Molvolumen erhält das Symbol VA. Es ist also:
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Damit erhalten wir für die Volumenzunahme:
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Dieser Ausdruck kann integriert werden; dies ist physikalisch gleichbedeutend
mit einer Vermehrung der Lösung ohne gleichzeitige Änderung ihrer
Zusammensetzung. VA und VB sind also konstant, also:
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Partielle molare Volumina (und auch jede andere partielle molare Größe)
kann man auf verschiedenen Wegen experimentell bestimmen. Eine Möglichkeit
ist die Messung des Volumens in Abhängigkeit von der Zusammensetzung;
anschließend werden die Meßwerte numerisch an eine Funktion
des Molenbruchs xA angepaßt (nach der Methode der kleinsten
Fehlerquadrate). Durch Ableitung dieser Funktion erhält man VA
bei jeder beliebigen Zusammensetzung.
Wenn wir beispielsweise folgende Beziehung für das Molvolumen
als geeignet annehmen,
Vm = a + b(xA-1) + c(xA2− 1)
(a, b und c sind Parameter deren Werte experimentell zu bestimmen sind), dann können wir das partielle molare Volumen von A bei beliebigen Zusamensetzung mit Hilfe der Beziehung nA = xAn berechnen:
VA = (∂Vm/∂xA)p,T = b + 2cxA.
Auf eine sehr wichtige Tatsache muss an dieser Stelle hingewiesen werden: Molare Volumina (und molare Entropien) sind stets positiv, für die entsprechenden partiellen molaren Größen gilt dies nicht unbedingt! Das partielle molare Volumen von MgSO4 im Grenzfall einer unendlich verdünnten wäßrigen Lösung (für die die Konzentration des Salzes gegen null geht) beträgt -1,4 cm3mol-1; das bedeutet, dass sich bei Zugabe eines Mols MgSO4 zu einer großen Menge Wasser das Gesamtvolumen um 1.4 cm3 verringert. Die Ursache für diesen Effekt liegt darin, dass bei Auflösung des Salzes dessen freie Ionen hydratisiert werden; wodurch die Struktur des Wassers teilweise zusammenbricht und sich das Volumen ein wenig verringert.
Die Gleichung V = VAnA + VBnB besagt, dass das Volumen der Lösung gleich der Summe aus zwei Produkten ist, nämlich dem Produkt aus der Molzahl von A und dem partiellen Molvolumen von A sowie dem Produkt aus der Molzahl von B und dem partiellen Molvolumen von B. Durch Differenzierung erhalten wir:
dV = VAdnA + nAdVA + VBdnB + nBdVB
Durch Gleichsetzen dieser Beziehung mit der weiter oben aufgeführten
Gleichung V = VAdnA + VBdnB
erhalten wir:
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Dies ist eine spezielle Form der GIBBS-DUHEM-Gleichung.
Sie gilt in diesem Falle für partielle Molvolumina; an deren
Stelle können jedoch beliebige andere partielle molare Größe
eingesetzt werden. Wir können diese partiellen molaren Größen
für alle extensiven Zustandsfunktionen definieren. Es ist z.B.:
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Die partiellen molaren Größen sind auf die Menge eines Mols
bezogene Kapazitätsfaktoren, also intensive Größen. Die
partielle molare freie Enthalpie GA ist das chemische Potential
µA. Alle in früheren Kapiteln abgeleiteten thermodynamischen
Beziehungen können nun auf die partielle molare Größe angewandt
werden. Es ist also:
(∂µA/∂T)p = −SA (∂HA/∂T)p = CpA |
Die allgemeine thermodynamische Theorie der Lösungen wird in diesen partiellen molaren Funktionen und ihren Ableitungen ausgedrückt, genauso, wie die Theorie der reinen Substanzen auf den gewöhnlichen thermodynamischen Funktionen beruht. Als Beispiel betrachten wir die Bildung einer binären Lösung aus nA Mol der Komponente A und nB Mol der Komponente B:
nAA + nBB → Lösung
Bei festgelegten Werten für T und p gilt für die freie Enthalpieänderung des Lösungsvorganges:
ΔG = G (Lösung) − nAGA° − nBGB°
Hierin bedeutet GA° und GB° die molare freien Enthalpien der reinen Komponenten. Wir schreiben in Analogie zu V = VAnA + VBnB
G (Lösung) = nAGA + nBGB
Hierbei beachten wir, dass GA≡ µA und GB ≡ µB.
Analoge Gleichungen können wir für die Änderung der anderen
extensiven thermodynamischen Zustandsgrößen U, H, S, V, CV,
Cp usw. beim Lösungsvorgang schreiben. Wir können
also eine Lösungsenthalpie, freie Lösungsenthalpie,
Lösungsentropie
usw, definieren. Für die Änderung der partiellen molaren Größen
beim Lösungsvorgang schreibt man bequemerweise ΔGA=GA-GA°,
ΔGB = GB - GB°,
usw. Man erhält hiermit die Form:
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