Explosionen

Es gibt Reaktionen, die - absichtlich oder unabsichtlich - explosionsartig verlaufen. Dabei sind zwei Arten von Explosionen zu unterscheiden: Thermische Explosionen kommen durch den raschen Anstieg der Reaktionsgeschwindigkeit bei höheren Temperaturen zustande. Wenn bei einer exothermen Reaktion Energie nicht abfließen kann, steigt die Temperatur des Systems und bewirkt eine Zunahme der Reaktionsgeschwindigkeit. Das kann wiederum die Temperaturerhöhung beschleunigen usw. bis zur Explosion. Von einer Kettenverzweigungs-Reaktion sprechen wir, wenn im Verlaufe einer Reaktion die Anzahl der Radikale durch Verzweigungsreaktionen zunimmt, so dass die Reaktionsgeschwindigkeit steigt und die Reaktion sich zur Explosion entwickelt.

Beide Typen findet man bei der Knallgas-Reaktion:

2H2 + O2  →  2 H2O

Der Mechanismus dieser Reaktion ist wesentlich komplizierter, als die einfache Reaktionsgleichung vermuten lässt, und nur die wesentlichen Einzelschritte sollen erläutert werden. Es handelt sich um eine Kettenreaktion, bei der die Radikale H, O, OH und HO2 als Kettenüberträger auftreten. Die wichtigsten Schritte sind:
 

Kettenstart: H2 + O2  →  2 HO (endotherme Radikalbildung an Wand oder Zündung)
Ketten-Fortpflanzung: H2 + HO  →  H + H2O (Radikalzahl konstant)
Verzweigung: H + O2  →  HO + O (Radikalverdopplung)
Verzweigung: O + H2  →  HO + H (Radikalverdopplung)
Ketten-Abbruch: H + Wand  →  P (Radikalvernichtung)

Die Schritte 3 und 4 sind für die Verzweigungen (Bildung zweier Radikale aus einem) verantwortlich, die zur Explosion führen können, wenn die Geschwindigkeit für die Verzweigung größer ist als für die Abbruchreaktionen. Ob eine Explosion erfolgt, hängt von der Temperatur (H + O2 ist stark temperaturabhängig) und vom Druck des Systems ab; die Bereiche, in denen die Knallgas-Reaktion explosiv ablaufen kann, sind in der Abbildung schraffiert dargestellt.
 
Abb. 1: Die Explosionsgrenzen bei der Knallgas-Reaktion

 
 

Bei sehr kleinen Drücken läuft die Reaktion langsam ohne Explosion ab, weil die bei der Kettenverzweigung entstehenden Kettenträger eher die Gefäßwand als andere Moleküle erreichen und dort (in Abhängigkeit von deren Zusammensetzung) zu inaktiven Molekülen rekombinieren. Erhöht man den Druck etwa längs der 440°C-Linie, so erreicht das System die erste Explosionsgrenze. Dann explodiert die Mischung, weil die aktiven Radikale mit anderen Molekülen reagieren, ehe sie die Gefäßwände erreichen, so dass die Verzweigungsreaktionen effizient werden. Wenn der Druck oberhalb der zweiten Explosionsgrenze liegt, verläuft die Reaktion wieder still, weil die Radikale, die bei den Verzweigungsreaktionen entstehen, wieder miteinander rekombinieren. Jetzt treten Reaktionen wie H + O2 → HO2 auf, und die dabei freiwerdende Energie wird bei einem Dreierstoß auf ein anderes unbeteiligtes Molekül M übertragen:
 

Kettenabbruch: H + O2 + M  →  HO2 + M* (HO2 reagiert nur langsam)

Dreierstöße sind bei kleine Drücken relativ selten; erst bei hohen Drücken gewinnen sie an Bedeutung und inhibieren die Kettenfortpflanzung, weil das entstehende HO2 nicht direkt an der Verzweigungsreaktion teilnimmt. Wenn man den Druck weiter erhöht, dann wird das HO2 in OH überführt (dritte Explosionsgrenze):
 

Ketten-Fortpflanzung: HO2 + H2  →  H2O + OH

d.h. die Abbruchreaktion wird neutralisiert.
 

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