Das Zellpotential und die freie Reaktionsenergie

Von der Thermodynamik wissen wir, dass die freie Enthalpie die maximale nicht expansive Arbeit ist, die eine Reaktion bei konstanten Druck und konstanter Temperatur leisten kann:

ΔGr  =  we

Die Arbeit, die geleistet wird, wenn eine bestimmte menge Elektronen n (in Mol) durch eine Potentialdifferenz E wandert, ist gleich dem Produkt aus Gesamtladung und Potentialdifferenz (normalerweise wird eine solche Potentialdifferenz in Volt gemessen und mit U bezeichnet. In der Elektrochemie wird jedoch statt U E als Symbol benutzt). Ein Elektron trägt die Ladung -e; die Ladung pro Mol Elektronen ist -eNA; und die Gesamtladung folglich -neNA. Die geleistete Arbeit ist also

we  =  - n e NA E

Die Ladung pro Mol Elektronen (das Produkt von Elementarladung e und Avogadro-Konstante NA) ist die Faraday-Konstante F = eNA = 9,6485 x 104 C mol-1. Den oben abgeleiteten Ausdruck für die Arbeit können wir daher schreiben als

we  =  - n F E

Diese Gleichung verknüpfen wir mit der thermodynamischen Gleichung und erhalten

ΔGr  =  - n F E

Die Variable n ist der stöchiometrische Koeffizient der Elektronen in der Reduktions- und Oxidations-Halbreaktion (gelegentlich wird auch n dafür geschrieben), und die Kombination von beiden Halbreaktionen bildet schließlich die stöchiometrische Gleichung für die Zellreaktion.

Unsere abgeleitete Beziehung  ΔGr = -nFE  verknüpft die thermodynamischen Informationen mit der elektrochemischen Information und ist deshalb außerordentlich wichtig. Die Gleichung besagt, dass bei positivem Zellpotential die freie Reaktionsenergie negativ wird und die Zellreaktion das Bestreben hat, spontan Produkte zu bilden. Bei negativem Zellpotential wird jedoch die umgekehrte Zellreaktion spontan ablaufen, und die Zellreaktion hat das Bestreben, spontan die Ausgangsverbindungen zu bilden.

Bei der Ableitung von Gleichung 1 sind wir insgeheim von einer Annahme ausgegangen. Die maximale nicht expansive Arbeit wird nur von einer reversiblen elektrochemischen Zelle geleistet. Gleichung 1 gilt also nur dann, wenn die Elektronenschubkraft der Zelle gegen eine externe Potentialquelle abgeglichen wird. In der Praxis heißt das, dass die Potentialdifferenz ohne jeden Stromfluss gemessen werden kann. Wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, erhält das Zellpotential den Namen elektromotorische Kraft (EMK). Ab jetzt werden wir für E immer diese EMK verstehen. Eine Arbeitszelle, also eine, die tatsächlich Strom liefert, hat daher immer ein kleineres Zellpotential als aus ΔGr = -nFE zu erwarten wäre.

Zur Berechnung der freien Standard-Reaktionsenergie ΔGr0 schreiben wir

ΔGr0  =  - n F E0

mit E0 als die Standard-EMK der Zelle. Die Standard-EMK ist diejenige EMK, die gemessen wird, wenn alle an der Reaktion beteiligten Spezies in ihrem jeweiligen Standardzustand vorliegen. Das bedeutet in der Praxis, das alle Gase einem Druck von 1 bar (105 Pa) haben, alle Ionen die Konzentration von 1 mol-1 L-1 aufweisen und alle Flüssigkeiten und Feststoffe reine Verbindungen sind. Um beispielsweise die Standard-EMK des so genannten Daniell-Elements zu messen, muss ein Elektrodenkompartiment 1 M CuSO4(aq)  und eine reine Kupferelektrode, dass andere 1 M ZnSO4(aq) und eine reine Zinkelektrode enthalten.

Zn(s) + Cu2+(aq) → Zn2+(aq) + Cu(s)

ΔGr0 = -212 kJ mol-1, E0 = +1,10 eV

2 Zn(s) + 2 Cu2+(aq) → 2 Zn2+(aq) + 2 Cu(s)

ΔGr0 = -424 kJ mol-1, E0 = -1,10 eV

Um ein höheres Potential als das aus der Gleichung zu erreichen, müssen mehrere Zellen hintereinander geschaltet werden: Das Potential dieser Batterie ist dann gleich die Summe der Potentiale der Einzelzellen.

 

 

 

 

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