(Einige Seiten in diesem Kapitel wurden von Dr.
Horst Bögel übernommen).
Jeder Mensch hat sicher eine gewisse Vorstellung davon, was sich unter
dem Begriff "Symmetrie" verbirgt. Beobachtungen in der Natur und die Begegnung
mit Werken der Kunst und Architektur lehren, dass Symmetrie verbunden
ist mit Regelmäßigkeit in der Form, mit der periodischen Wiederholung
und harmonischen Anordnung von Strukturelementen. Sie wird meist als schön
und angenehm empfunden.
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
Die Symmetrie eines Moleküls hat eine fundamentale Bedeutung in der Quantenchemie. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Symmetrie des Moleküls und den Eigenschaften der Wellenfunktion. Die Analyse solcher Zusammenhänge gehört zu einem Teil der theoretischen Chemie und Physik - der Gruppentheorie.
Ein großer Teil der Gruppentheorie ist nichts anderes als eine systematische Zusammenfassung unserer anschaulichen Erfahrungen über die Symmetrie von Körpern. Die Gruppentheorie geht sehr systematisch und schematisch vor, sie führt manchmal zu unerwarteten Ergebnissen. Die Methoden der Gruppentheorie helfen oft, ohne große Rechnungen auf einem direkten Weg zu nützlichen Ergebnissen zu kommen. Kurzum, wir brauchen sie, um ohne große Rechnungen wesentliche Aussagen über das Verhalten von Molekülen machen zu können.
Erinnert sei auch an die griechischen Atomisten LEUKIPP (vermutlich 500 bis 440 v. Chr.) und DEMOKRIT (um 430 bis 370 v. Chr.), die behaupteten, dass die komplexe Natur der Welt sich erklären ließe, wenn alle Dinge aus verschiedenen Arten von unwandelbaren Atomen zusammengesetzt wären, wobei jede Atomart eigene Form ,Größe und Gewicht hätte, und alle Atome sich in ständiger Bewegung befänden.
Eine andere Theorie um die Natur der Welt zu erklären, geht auf ARISTOTELES und seinen Schüler PLATON (427 bis 347 v. Chr.) zurück. Sie waren der Auffassung, dass alles was es im Weltall gibt, aus den vier "Elementen" Feuer, Erde, Luft und Wasser besteht. Während jedoch die Atomisten glaubten, dass die kleinsten Bausteinchen des Universums unzählige Formen verschiedener Symmetrie besitzen und beispielsweise kugelförmig, pyramidal oder aber auch völlig unregelmäßig geformt sein können, schrieb PLATON den vier Grundelementen jeweils eine bestimmte geometrische Form zu. Die Erde wird durch einen Kubus (Hexaeder) verkörpert, Wasser entspricht einem lkosaeder, Feuer stellt ein Tetraeder dar, und Luft ein Oktaeder. Seitdem werden die regulären Polyeder, auch als PLATONsche Körper bezeichnet.
Auch in der Mathematik des Altertums spielte die Beschäftigung mit der Geometrie von Polygonen und Polyedern eine große Rolle, vor allem wurden die fünf PLATONschen Körper immer wieder gründlich studiert.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die Symmetrielehre seit den Anfängen der Wissenschaft mehr oder weniger unabhängig zunächst in drei Richtungen entwickelte - in der Philosophie, Naturwissenschaft und Mathematik.
Entwicklung des Symmetriekonzeptes unter besonderer Berücksichtigung
von Chemie und Kristallographie
(nach D. Steinborn, Symmetrie und Struktur in der Chemie, VCH Verlagsgs.,
Weinheim, 1993)
Altertum | Symmetrie in Kunst und Architektur und Mathematik (Sumer, Ägypten,
Griechenland)
(5 Platonische Körper, euklidische Geometrie) |
1528 | "Vier Bücher von menschlicher Proportion" ("De symmetria partium") (A. DÜRER) |
1611 | "Über die sechseckige Schneeflocke" ("De nive sexangula") (J. KEPLER) |
1669 | Untersuchungen zu KristaIIwinkeln am Beispiel von Quarz und Hämatit (N. STENSEN) |
1704 | Arbeiten zur Struktur von Kristallen (l. NEWTON) |
1780 | Arbeiten über Kristallformen, "Dekreszenz Theorie" (T. BERGMANN) |
1783 | Gesetz der Winkelkonstanz (J. B. ROME DE L'ISLE) |
1790 | Theorie der KristaIlstruktur (R. J. HAUY) |
1810 | Theorie der Kristallmorphologie (C. S. WEISS) |
1824 | Arbeiten zur KristaIlgittertheorie (L. A. SEEBER) |
1830 | Ableitung der 32 KristaIlklassen (J. F. C. HESSEL) |
1832 | Grundlagen der Gruppentheorie (E. GALOIS) |
1849 | Ableitung der 14 grundsätzlich verschiedenen Raumgitter (BRAVAIS-Gitter) (A. BRAVAIS) |
1860 | Zusammenhang zwischen optischer Aktivität und Enantiomorphie (Vermutung einer asymmetrischen Atomgruppierung) (L. PASTEUR) |
1872 | Geometrie als Invariantentheorie (Erlanger Programm ) (F. KLEIN)
Der Mathematiker F. Klein erläuterte bei seiner Antrittsvorlesung an der Universität Erlangen die Bedeutung der Gruppentheorie für die Mathematik und besonders für die Geometrie. Er gründete seine Symmetrieauffassungen nicht mehr auf die Klassifizierung geometrischer Objekte, sondern auf die Klassifizierung der Geometrien selbst. Diese Vorlesung ist in die Geschichte der Wissenschaft als "Erlanger Programm" eingegangen |
1884-94 | Zusammenhang zwischen Kristallsymmetrie und -eigenschaften (NMC- Prinzip) (F. E. NEUMANN, B. MINNIGERODE, P. CURIE) |
1890/91 | Ableitung der 230 dreidimensionalen Raumgruppen (A. SCHOENFLIES, J.S. FEDOROV) |
1894 | Beschreibung der 7 kontinuierlichen Punktgruppen (P. CURIE) |
1912 | Experimenteller Nachweis für die Raumgitterstruktur von KristaIlen (M. LAUE, W. FRIEDRICH, P. KNIPPING) |
ab 1922 | Begründung der KristaIlchemie als Wissenschaftsgebiet (V. M. GOLDSCHMIDT) |
ab 1922 | Untersuchungen zur Struktur von Molekülen und Kristallen (L. PAULING u.a.) |
1925 | Antisymmetrieprinzip bei Elektronenvertauschungen (PAULI- Pinzip) (W. PAULI) |
1929 | Aufspaltung von atomaren Energieniveaus in Abhängigkeit von der Kristallfeldsymmetrie (H. BETHE) |
ab 1930 | Anwendung der Gruppentheorie auf die Quantenmechanik (E. P. WIGNER, H. WEYL, J. V. NEUMANN |
1931 | HybridorbitaItheorie und Symmetrie (L. PAULING) |
1932 | Arbeiten zur Symmetrie zwischen Proton und Neutron (W. HEISENBERG) |
1937 | Zusammenhang zwischen Stabilität und entarteter Elektronenzustände und Molekülsymmetrie (JAHN-TELLER-Theorem), (H.A.JAHN, E. TELLER) |
1964 | Symmetrien von Elementarteilchen (M. GELL-MANN) |
1965 | Prinzip von der Erhaltung der Orbitalsymmetrie bei Synchronreaktionen (R.B. WOODWARD, R. HOFFMANN) |
ab 1967 | Fraktale und fraktale Geometrie der Natur (B. B. MANDELBROT) |
1984 | Entdeckung einer hochgeordneten Struktur ohne Periodizität bei einer AI/Mn-Legierung (Quasikristalle) (D. SHETCHMAN) |
Auf diesem Webangebot gilt die Datenschutzerklärung der TU Braunschweig mit Ausnahme der Abschnitte VI, VII und VIII.