Einleitung zur Symmetrie

(Einige Seiten in diesem Kapitel wurden von Dr. Horst Bögel übernommen).
Jeder Mensch hat sicher eine gewisse Vorstellung davon, was sich unter dem Begriff "Symmetrie" verbirgt. Beobachtungen in der Natur und die Begegnung mit Werken der Kunst und Architektur lehren, dass Symmetrie verbunden ist mit Regelmäßigkeit in der Form, mit der periodischen Wiederholung und harmonischen Anordnung von Strukturelementen. Sie wird meist als schön und angenehm empfunden.
 


Symmetrie von Molekülen

Strukturen und Erscheinungen, die mit den Begriffen der Symmetrie charakterisiert werden können, sind in der Natur weit verbreitet (Kristalle, Moleküle, α- oder ß-Spin, Materie und Anti-Materie).

Die Symmetrie eines Moleküls hat eine fundamentale Bedeutung in der Quantenchemie. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Symmetrie des Moleküls und den Eigenschaften der Wellenfunktion. Die Analyse solcher Zusammenhänge gehört zu einem Teil der theoretischen Chemie und Physik - der Gruppentheorie.

Ein großer Teil der Gruppentheorie ist nichts anderes als eine systematische Zusammenfassung unserer anschaulichen Erfahrungen über die Symmetrie von Körpern. Die Gruppentheorie geht sehr systematisch und schematisch vor, sie führt manchmal zu unerwarteten Ergebnissen. Die Methoden der Gruppentheorie helfen oft, ohne große Rechnungen auf einem direkten Weg zu nützlichen Ergebnissen zu kommen. Kurzum, wir brauchen sie, um ohne große Rechnungen wesentliche Aussagen über das Verhalten von Molekülen machen zu können.


Ein Blick in die Geschichte

Der Begriff "Symmetrie" wurde im alten Griechenland geprägt, bedeutet soviel wie Ebenmaß und ist vermutlich beim Studium lebender Materie entstanden. Die antiken griechischen Künstler, Bildhauer und Architekten verbanden mit diesem Begriff die Vorstellung von Schönheit und Harmonie. Schon zur Zeit des PYTHAGORAS (um 580 bis 500 v. Chr.) war er geläufig, wofür sich in Kunst, Philosophie und Wissenschaft der Antike zahlreiche Beispiele finden lassen. Allerdings verstanden die Griechen die Symmetrie nicht nur als eine geometrische Eigenschaft, sondern auch als etwas Maßvolles, Proportionales und Harmonisches im Objekt, als Übereinstimmung der Teile und Gesetz ihrer Vereinigung zu einem einheitlichen Ganzen. So maßen beispielsweise die Pythagoreer einer Reihe von Gegensätzlichkeiten besondere Bedeutung bei, darunter auch den Gegensätzen links - rechts, Bild - Spiegelbild.

Erinnert sei auch an die griechischen Atomisten LEUKIPP (vermutlich 500 bis 440 v. Chr.) und DEMOKRIT (um 430 bis 370 v. Chr.), die behaupteten, dass die komplexe Natur der Welt sich erklären ließe, wenn alle Dinge aus verschiedenen Arten von unwandelbaren Atomen zusammengesetzt wären, wobei jede Atomart eigene Form ,Größe und Gewicht hätte, und alle Atome sich in ständiger Bewegung befänden.

Eine andere Theorie um die Natur der Welt zu erklären, geht auf ARISTOTELES und seinen Schüler PLATON (427 bis 347 v. Chr.) zurück. Sie waren der Auffassung, dass alles was es im Weltall gibt, aus den vier "Elementen" Feuer, Erde, Luft und Wasser besteht. Während jedoch die Atomisten glaubten, dass die kleinsten Bausteinchen des Universums unzählige Formen verschiedener Symmetrie besitzen und beispielsweise kugelförmig, pyramidal oder aber auch völlig unregelmäßig geformt sein können, schrieb PLATON den vier Grundelementen jeweils eine bestimmte geometrische Form zu. Die Erde wird durch einen Kubus (Hexaeder) verkörpert, Wasser entspricht einem lkosaeder, Feuer stellt ein Tetraeder dar, und Luft ein Oktaeder. Seitdem werden die regulären Polyeder, auch als PLATONsche Körper bezeichnet.

Auch in der Mathematik des Altertums spielte die Beschäftigung mit der Geometrie von Polygonen und Polyedern eine große Rolle, vor allem wurden die fünf PLATONschen Körper immer wieder gründlich studiert.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die Symmetrielehre seit den Anfängen der Wissenschaft mehr oder weniger unabhängig zunächst in drei Richtungen entwickelte - in der Philosophie, Naturwissenschaft und Mathematik.

Entwicklung des Symmetriekonzeptes unter besonderer Berücksichtigung von Chemie und Kristallographie
(nach D. Steinborn, Symmetrie und Struktur in der Chemie, VCH Verlagsgs., Weinheim, 1993)
 
Altertum  Symmetrie in Kunst und Architektur und Mathematik (Sumer, Ägypten, Griechenland
(5 Platonische Körper, euklidische Geometrie) 
1528  "Vier Bücher von menschlicher Proportion" ("De symmetria partium") (A. DÜRER) 
1611  "Über die sechseckige Schneeflocke" ("De nive sexangula") (J. KEPLER) 
1669  Untersuchungen zu KristaIIwinkeln am Beispiel von Quarz und Hämatit (N. STENSEN) 
1704  Arbeiten zur Struktur von Kristallen (l. NEWTON) 
1780  Arbeiten über Kristallformen, "Dekreszenz Theorie" (T. BERGMANN) 
1783  Gesetz der Winkelkonstanz (J. B. ROME DE L'ISLE) 
1790  Theorie der KristaIlstruktur (R. J. HAUY) 
1810  Theorie der Kristallmorphologie (C. S. WEISS) 
1824  Arbeiten zur KristaIlgittertheorie (L. A. SEEBER) 
1830  Ableitung der 32 KristaIlklassen (J. F. C. HESSEL) 
1832  Grundlagen der Gruppentheorie (E. GALOIS) 
1849  Ableitung der 14 grundsätzlich verschiedenen Raumgitter (BRAVAIS-Gitter) (A. BRAVAIS) 
1860  Zusammenhang zwischen optischer Aktivität und Enantiomorphie (Vermutung einer asymmetrischen Atomgruppierung) (L. PASTEUR) 
1872  Geometrie als Invariantentheorie (Erlanger Programm ) (F. KLEIN) 
Der Mathematiker F. Klein erläuterte bei seiner Antrittsvorlesung an der Universität Erlangen die Bedeutung der Gruppentheorie für die Mathematik und besonders für die Geometrie. Er gründete seine Symmetrieauffassungen nicht mehr auf die Klassifizierung geometrischer Objekte, sondern auf die Klassifizierung der Geometrien selbst. Diese Vorlesung ist in die Geschichte der Wissenschaft als "Erlanger Programm" eingegangen 
1884-94  Zusammenhang zwischen Kristallsymmetrie und -eigenschaften (NMC- Prinzip) (F. E. NEUMANN, B. MINNIGERODE, P. CURIE) 
1890/91  Ableitung der 230 dreidimensionalen Raumgruppen (A. SCHOENFLIES, J.S. FEDOROV) 
1894  Beschreibung der 7 kontinuierlichen Punktgruppen (P. CURIE)
1912  Experimenteller Nachweis für die Raumgitterstruktur von KristaIlen (M. LAUE, W. FRIEDRICH, P. KNIPPING) 
ab 1922  Begründung der KristaIlchemie als Wissenschaftsgebiet (V. M. GOLDSCHMIDT) 
ab 1922  Untersuchungen zur Struktur von Molekülen und Kristallen (L. PAULING u.a.) 
1925  Antisymmetrieprinzip bei Elektronenvertauschungen (PAULI- Pinzip) (W. PAULI) 
1929  Aufspaltung von atomaren Energieniveaus in Abhängigkeit von der Kristallfeldsymmetrie (H. BETHE) 
ab 1930  Anwendung der Gruppentheorie auf die Quantenmechanik (E. P. WIGNER, H. WEYL, J. V. NEUMANN 
1931  HybridorbitaItheorie und Symmetrie (L. PAULING) 
1932  Arbeiten zur Symmetrie zwischen Proton und Neutron (W. HEISENBERG)
1937  Zusammenhang zwischen Stabilität und entarteter Elektronenzustände und Molekülsymmetrie (JAHN-TELLER-Theorem), (H.A.JAHN, E. TELLER) 
1964  Symmetrien von Elementarteilchen (M. GELL-MANN) 
1965  Prinzip von der Erhaltung der Orbitalsymmetrie bei Synchronreaktionen (R.B. WOODWARD, R. HOFFMANN) 
ab 1967  Fraktale und fraktale Geometrie der Natur (B. B. MANDELBROT)
1984  Entdeckung einer hochgeordneten Struktur ohne Periodizität bei einer AI/Mn-Legierung (Quasikristalle) (D. SHETCHMAN) 

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