Schwingungen und Schwingungsspektren
zweiatomiger Moleküle


Die Energieniveaus und Wellenfunktionen für eine harmonische Schwingung haben wir bereits als Näherung für die Potentialkurve eines zweiatomigen Moleküls kennengelernt. Da sich das elektrische Dipolmoment des Moleküls während der Schwingung ändern muss, besitzen homonuklare Moleküle kein Schwingungsspektrum. Für heteronukleare Moleküle erhält man die Auswahlregeln in harmonischer Näherung
 

Δv  =  ± 1
E  =  hw0(v + ½) v  =  0, 1, ...


Ableitung der Auswahlregeln für harmonischen Oszillator:

Das Dipolmoment µ kann bzgl. der Abstandskoordinate r bzw. z entwickelt werden:

µ  =  µ + /dz½zo· z    , d.h.      µ ≈ µ0 + const. · z.

Die Eigenfunktionen des harmonischen Oszillators sind ym~e-z²/2 · Hm(z). Wir erhalten also:

µ  =  -∞+∞ ym* · µ · yndz  =  -∞+¥ e-z²/2 Hm(z) [µ0 + const · z] e-z²/2 Hn(z) dz

   =  µ0 -∞+∞ e-z²· Hm(z) · Hn(z) dz  +  const -∞+¥ e-z² Hm(z) · z · Hn(z) dz

Der erste Term liefert nur einen Beitrag für m = n, wg. der Orthogonalität der Hermiteschen Polynome. Bei einem Übergang ist jedoch m ¹ n. Für die Auswertung des zweiten Integrals ziehen wir die Beziehung

Hn(z)  =  2z Hn-1(z) - 2(n -1)Hn-2(z)

heran. Ersetzen n → n+1 und umformen nach: z · Hn(z) = ½ Hn+1(z) + n · Hn-1(z) ergibt nach Einsetzen für das zweite Integral:
 

const -∞+∞ e-z²Hm(z)½Hn+1(z) dz + const · -∞+∞ e-z²Hm(z) · n · Hn-1(z)dz
½¾¾¾¾¾¾¾¾¾¾¾¾½ ½¾¾¾¾¾¾¾¾¾¾¾¾¾½
¯ ¯
nur dann ungleich Null, wenn 
m = n + 1
nur dann ungleich Null, wenn 
m = n - 1

D.h. die Quantenzahl muss sich für den Übergang von einem zum anderen Niveau um 1 ändern.


Eine bessere Beschreibung des Potentials erfolgt durch das Morsepotential
 

V(r) = De[1 - e-α(r-re)]2

wobei De die Tiefe des Potentialminimums, an der Stelle xe ist und
 

α  =  (µ/2De)½ · w0

Mit diesem Potential erhält man die Energieniveaus
 

E  =  hw0(v + ½) - hw0xe(v + ½)2 xe   =  α2h/(2µw0) = hw0/(4De)


Leider hat das Morsepotential keine allgemeingültige Aussagekraft; vielmehr muss die Schrödinger-Gleichung für jedes Problem neu gelöst werden. Zur Beschreibung der experimentellen Daten wird die allgemeine Gleichung
 

Ehwe(v + ½) - hwexe(v + ½)2 + hweye(v + ½)3 + ... 

genutzt, wobei die Größen wexe, weye, ... jeweils als eine Konstante (und nicht als Produkt) angegeben werden. Der Abstand zwischen zwei Niveaus (also das Spektrum) ist dann (v + 1 ← v):

ΔEvib  =  h[we(v + 3/2) - wexe(v + 3/2)2 + ... - we(v + ½) + wexe(v + ½)2 - ...]

ΔEvib  =  h[we− 2wexe(v + 1) + ... ]    (d.h. v-abhängig !)

Die Grundschwingung v = 1 ← v = 0 liegt danach bei

w0  =  we - 2wexe + ...

Die Nullpunktsenergie Ev=0 ist ebenfalls verschoben:

Ev=0  =  1/2hwe1/4hwexe + 1/8hweye + ...

Beispiele: (w's in cm-1)
 

 
we
wexe
w0
re/pm
 
H2
4401 
121
4159 
74,1
← IR-inaktiv ! 
HCl
2991 
52,8
2885 
127,5
 
N2
2359 
14,3
2330 
109,8
← IR-inaktiv ! 
I2
214 
0,61
212,8 
266,6
← IR-inaktiv ! 
OH
3738 
84,9
3568 
96,97
 

Da die Schwingungensenergie i.A. sehr groß gegen kT bei Raumtemperatur ist, finden Übergänge nur von v = 0 nach v = 1 in Absorption statt. Allerdings kann in chemischen Reaktionen auch ein Produkt in sehr hohen Schwingungsniveaus gebildet werden und man kann Emissionen aus diesen Niveaus beobachten.
Z.B. verursacht die Reaktion H + O3 → OH(v = 9) + O2 ein schwaches Leuchten in der oberen Stratosphäre durch vibronische Übergänge.

Noch zwei nützliche Gleichungen:

Die molare Bindungsdissoziationsenthalpie ΔHm und die Dissoziationsenergie D0 verbindet die Gleichung:
 

ΔHm = NAD0 + RT   NA: Avogadrozahl

Der Unterschied zwischen der Dissoziationsenergie D0 und der Tiefe De des Potentialtopfes ist über die Nullpunktsenergie gegeben:

De = D0 + ½ hwe - ¼ hwexe


Obertöne

Aufgrund der Anharmonizität können auch Linien auftreten, die nach der Auswahlregel Δv = ± 1 verboten sind. Diese Obertöne besitzen eine schwächere Intensität. Mit Hilfe von Lasern ist es aber aufgrund der hohen Lichtleistung möglich, Obertöne anzuregen.
 

 Beispiel: Übergangswahrscheinlichkeiten für OH
  v' ← v'' n / cm-1 λ / nm σ0/norm. auf 
1 ¬ 0 º 100 
 
1 ¬
3568
2803 
100
 
2 ¬
6966
1436 
16
 
3 ¬
10195
980 
0,5
sichtbarer
4 ¬
13253
755 
0,03
Spektralbereich!
5 ¬
16142
619,5 
0,01

Schwingungen mehratomiger Moleküle

Ein nichtlineares N-atomiges Molekül besitzt 3N-6 Normalschwingungen; ein lineares 3N-5. CO2 hat als lineares Molekül 4 Schwingungsfreiheitsgerade (die Biegeschwingung tritt "doppelt" auf); während Wasser nur 3 Schwingungsfreiheitsgerade besitzt. Bei Normalschwingungen beeinflußt die angeregte Schwingungsmode nicht die anderen Normalschwingungen.

Bei größeren Molekülen ist es zweckmäßig, die Normalschwingungen nach ihren Symmetrien in Rassen einzuteilen (siehe Gruppentheorie, Molekülsymmetrie). Das gleiche gilt für die Entscheidung, welche der Schwingungen IR-aktiv sind.

In der nebenstehenden Abbildung sind drei Normalschwingungen vom H2O (alle IR-aktiv) angegeben.
 
Vibrationsniveaus von gasförmigem Wasser in cm-1. Die Werte in Klammern sind die Vibrationsmoden (n1, n2, n3)

Der Schwerpunkt des Moleküls muss natürlich bei einer Schwingung in Ruhe bleiben.


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