MO-Reihenfolge homonuklearer Moleküle

Wollen wir wie bei den Atomen auch für die Molekülstruktur ein Aufbauprinzip einführen, so müssen wir die energetische Reihenfolge aller Orbitale kennen. Nach heutigen Erkenntnissen lautet diese Reihenfolge

 1σg < 1σu < 2σg < 2σu < 1πu < 3σg < 1πg < 3σu < 4σg < 4σu < 2πu < 5σg < 2πg < 5σ

Dabei ist zu beachten, dass jedes π-MO zweifach entartet ist. Beispielsweise können wir unter dem 1πu-MO das Paar 1πxu, 1πyu verstehen, das den Aufbau aus px- und py-AO deutlich macht. Bei zweiatomigen Molekülen mit Atomen aus der zweiten Reihe des Periodensystems liegt σg immer unterhalb von πu.
 
Abb.1: Bestimmung der relativen Lage von  MO-Energieniveaus durch ein Korrelations- diagramm. Bei dem Abstand, der durch die senkrechte Linie angedeutet ist, wird die energetische Folge der Niveaus bestimmt.
Die relative Lage der MO-Energieniveaus wird oft mit Hilfe eines Korrelationsdiagrammsdiskutiert. Ein solches Diagramm zeigt die Abhängigkeit der Obitalenergien von interatomaren Abstand R. Wird R sehr groß, so gehen die Molekülorbitale in die Atomorbitale der getrennten Atome über; für R → 0 gehen die Molekülorbitale in die Atomorbitale des "vereinigten Atoms" über, in dem die beiden Kerne verschmolzen sind (Kernfusion auf dem Papier). Die beiden Seiten, von denen man das Verhalten der Molekülorbitale betrachten kann, sind einerseits die "getrennten Atome" und andererseits das "vereinigte Atom". Bei mittleren Atomabständen müssen die Atomorbitalen kombiniert werden, um Molekülorbitale zu erzeugen; dabei kombinieren die Atomorbitale um so stärker, je dichter sie energetisch beisammen liegen. Für R → 0 ändert sich die Symmetrie eines Molekülorbitals nicht und deshalb muss dieses letzten Endes in AOs der gleichen Symmetrie übergehen, wenn das vereinigte Atom erreicht ist. Ein typisches Korrelationsdiagramm für ein zweiatomiges Molekül mit gleichen Kernen zeigt die Abbildung 1.

Die geraden Linien, die die Orbitale auf den beiden Seiten miteinander verbinden, deuten solche Korrelationen an und geben dabei die Richtungen an, in die sich die Energieniveaus bewegen, wenn sich der interatomare Abstand ändert. Es ist darauf zu achten, dass bei der Herstellung solcher Diagramme die Entkreuzungsregel nicht verletzt wird, d.h. jede Kreuzung muss zwischen Zuständen verschiedener Symmetrie erfolgen. Für diese Regel gibt es keine Ausnahme, solange die Symmetrie erhalten bleibt.
Als Beispiel für eine Korrelation nehmen wir die Kombination der 2px-Atomorbitale der getrennten Atome (ganz rechts in Abb.2). Wir erhalten die beiden Molekülorbitale 1πu und 1πg (Bildmitte Abb.2), die für R → 0 in die beiden Atomorbitale 2px (aus 1πu) bzw. 3dzx (aus 1πg) des vereinigten Atoms übergehen.Zur Beschreibung von Dissoziationen im MO-Bild ist jedoch Vorsicht geboten: wie bereits das Beispiel H2+ gezeigt hat, liefert die Zuordnung eines Elektrons zu einem MO der getrennten Atome keine vernünftige Beschreibung der physikalischen Situation; das Elektron im H2+ kann für R →∞ nicht jeweils zur Hälfte bei den getrennten Kernen sein.
 
2px Û Û 2pxA+2pxB
3dzx
Vereinigtes Atom 
Û
 
Û
Getrennte Atome
2pxA−2pxB
Abb.2: Beispiele der Korrelation von Orbitalen für die Grenzfälle des vereinigten Atoms und der getrennten Atome (für zweiatomige homonukleare Moleküle). Das obere Diagramm zeigt, wie die πu-Kombination zweier p-Orbitale der getrennten Atome (rechts) mit dem p-Orbital des vereinigten Atoms (links) korreliert. Das untere Diagramm zeigt, wie die πg-Kombination (rechts) mit dem d-Orbital des vereingten Atoms (links) korreliert. Die Atomorbitale des vereinigten Atoms sind relativ kompakt infolge der erhöhten Kernladung beim Zusammenführen von A und B.

In Wirklichkeit sind die MOs etwas komplizierter als eine Linearkombination von zwei AOs (z.B. 2sA+2sB). So müssen die 2σg und 3σg genauer lauten:

g : c11 (2sA + 2sB) + c12 (2pzA− 2pzB)
g : c21 (2sA + 2sB) + c22 (2pzA− 2pzB)

(mit unterschiedlichen c-Koeffizienten)
Analoges gilt für σu.Nur MOs der gleichen Symmetrie können in diesem Sinne mischen. In der Abbildung sind links (nicht maßstabsgerecht) die AOs aufgetragen; in der Mitte die Energien der MOs als Linearkombination zweier AOs; ganz rechts die verbesserten MOs im Sinne der obigen Gleichungen. Die Wechselwirkung der AOs führt zu einer Aufspaltung der Energieniveaus, die weitere Wechselwirkung der "einfachen MOs" zu einem Auseinanderdrücken der betreffenden Niveaus. So kann das 1πu-Niveau unterhalb der 3σg-Niveaus liegen.
 

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