AB2-Moleküle von Typ des OF2 und des O3

Andere Beispiele mit C2v-Symmetrie wären das OF2 oder das iso-valenzelektronische SF2. Wir wollen zusätzlich zu den AO's der inneren Schalen zunächst die π-AO's des F unberücksichtigt lassen, d.h. als an der Bindung unbeteiligt ansehen, entsprechend natürlich auch die Elektronen, di diese AO's besetzen. Von O bzw. S sind also wieder s und p beteiligt, von F2 aber je zwei σ-AO's (nämlich 2s und 2pσ). Die gleiche Argumentation wie beim H2O ergibt folgende MO's (wir wählen die Abkürzungen b., n., a. für bindend, nicht bindend, antibindend).
 

1a1 (b.),   2a1 (b.),   3a1 (a.),   4a1 (a.)

1b1 (n.)

1b2 (b.),   2b2 (n.),   3b2 (a.)

In diesen MO's sind 12 Elektronen unterzubringen ( 6 von O bzw. S und je 3 von jedem der F-Atome). Zur Verfügung stehen drei bindende und zwei nichtbindende MO's, in denen 10 Elektronen Platz haben, die übrigen zwei Elektronen müssen also in ein antibindendes MO, und zwar dasjenige, das am tiefsten liegt (am schwächsten antibindend ist), und dieses ist offenbar 3a1. Da 2a1 und 3a1 einander gewissermaßen kompensieren, sind "effektiv" nur zwei bindende MO's besetzt.

Ergänzen wir jetzt diese Überlegung durch Mitberücksichtigung der π-AO's ! In der gleichen schematischen Weise findet man:

1a1 (b.),   2a1 (b.),   3a1 (n.),   4a1 (a.),   5a1 (a.)

1a2 (n.)

1b1 (b.),   2b1 (a.)

1b2 (b.),   2b2 (b.),   3b2 (a.),   4b2 (a.)

Jetzt sind 5 MO's bindend und 2 nichtbindend. Diese haben den Platz für 14 Elektronen, es sind aber 20 Valenzelektronen unterzubringen (6 von O bzw. S und je 7 von F), so dass 6 Elektronen 3 antibindende MO's besetzen müssen, nämlich 4a1, 2b1 und 3b2. 5 bindende minus 3 antibindende MO's ergibt (effektiv) wieder 2 bindende MO's, genau wie ohne Berücksichtigung der π-AO's. Von den MO's, an denen π-AO's des F beteiligt sind (genauer: die bei Mitberücksichtigung der π-AO's hinzukommen), sind bindende und antibindende MO's gleichermaßen besetzt, so dass die π-AO's der F-Atome effektiv an der Bindung nicht beteiligt sind.

Wir machen uns leicht klar, dass das soeben benutzte MO-Schema auch für O3 bzw. SO2 gilt. Die äußeren O-Atome unterscheiden sich von den F-Atomen nur dadurch, dass sie je ein Elektron weniger beisteuern. Die Gesamt-Valenzelektronenzahl ist jetzt also 18 statt 20. Folglich ist ein antibindendes MO weniger zu besetzen (nämlich 2b1), so dass im O3 bzw. SO2 effektiv 3 MO's bindend sind. Die Bindung sollte also fester sein als im OF2 bzw. SF2.

Es ist üblich, ähnlich wie bei den zweiatomigen Molekülen, auch in ABn-Molekülen zwischen σ- und π-MO's zu unterscheiden und als σ-MO's (bzw. π-MO's) solche zu bezeichnen, an denen σ-AO's (bzw. π-AO's) von Bn beteiligt sind. Eine Schwierigkeit bei dieser Klassifikation besteht allerdings darin, dass nur bei bestimmten Symmetriegruppen eine strenge σ-π-Trennung besteht, in dem Sinne, dass sich an einem MO entweder nur σ-AO's oder nur π-AO's von Bn beteiligen. Wie man anhand der großen Tabelle im folgenden Kapitel sieht, gilt die σ-π-Trennung in aller Strenge für D∞h, d.h. lineare AB2-Moleküle. In der Symmetriegruppe D3h, bei planaren AB3-Molekülen, sind MO's der Symmetrierasse a1' reine σ-MO's, solche Symmetrierassen a2', a2'', e'' reine π-MO's, während in der Darstellung e' σ- und π-AO's von B3 miteinander "mischen".

Ähnlich gemischt sind bei gewinkelten AB2-Molekülen (C2V) die a1- und b2-MO's. Die a2- und b1-MO's sind dagegen reine π-MO's.

Kommen wir noch einmal auf das Beispiel O3 bzw. SO2 zurück! Wenn wir wissen, dass das bindende MO 1b1 doppelt besetzt, das antibindende MO 2b1 dagegen unbesetzt ist, so können wir mit einigem Recht sagen, dass von den (effektiv) drei bindenden MO's einen ein π-MO ist, Erst eine quantitative Analyse zeigt, dass die beiden anderen bindenden MO's vorwiegend σ-Charakter haben, so dass im O3 bzw. SO2 näherungsweise zwei σ-Bindungen und eine π-Bindung vorliegen. Im OF2 bzw. SF2 ist außer 1b1 auch das antibindende π-MO 2b1 doppelt besetzt, so dass insgesamt keine π-Bindung, sonderen näherungsweise zwei σ-Bindungen resultieren - wie man schon daraus schließen kann, dass die Mitberücksichtigung der π-AO's in diesem Molekül in Bezug auf die effektive Zahl der bindenden MO's nicht geändert hat.

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