Allgemeine ABn- und ABmCn-Strukturen

 
 
Tabelle: Irreduzible Darstellungen von AO's des Zentralatoms und der Liganden für ABn- und ABnCm-Moleküle nach Kimball
1. AB2 linear
D∞h σg σu πg πu δg δu

A
 
s
p
d
1
0
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B2
 
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π
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0
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1
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1
0
0
0
0
2. AB2 gewinkelt          (B-Atome in der yz-Ebene, A auf der z-Achse)
C2v a1 a2 b1 b2

A
 
s
p
d
1
1
2
0
0
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1
1
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1
1
B2
 
σ
π
1
1
0
1
0
1
1
1
3. AB3 planar, symmetrisch
D3h a1' a1'' a2' a2'' e' e''

A
 
s
p
d
1
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1
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0
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0
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1
B3
 
σ
π
1
0
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0
0
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1
1
0
1
4. AB3 pyramidal
C3v a1 a2 e

A
 
s
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0
1
2
B3
 
σ
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2
5. AB4 tetraedisch
Td a1 a2 e t1 t2

A
 
s
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0
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B4
 
σ
π
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0
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1
1
6. AB4 eben tetragonal
D4h a1g a1u a2g a2u b1g b1u b2g b2u eg eu

A
 
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B4
 
σ
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1
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0
0
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1
1
7. AB6 oktedrisch
Oh a1g a1u a2g a2u eg eu t1g t1u t2g t2u

A
 
s
p
d
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B6
 
σ
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0
0
0
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1
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1
0
1
8. AB8 würfelförmig
Oh a1g a1u a2g a2u eg eu t1g t1u t2g t2u

A

 

s
p
d
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1
B8
 
σ
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1
1
1
1
0
1
9. AB8 tetragonal antiprismatisch
D4d a1 a2 b1 b2 e1 e2 e3

A
 
s
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B8
 
σ
π
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1
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1
2
1
2
10. AB8 dodekaedrisch
D2d a1 a2 b1 b2 e

A
 
s
p
d
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B8
 
σ
π
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2
0
2
0
2
2
2
2
4
11. AB12 ikosaedrisch
Ih ag au t1g t1u t2g t2u ug uu vg vu

A
 
s
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0
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0
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0
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0
B12
 
σ
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1
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0
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1
0
1
1
1
0
1
12. AB2C2 diedrisch          (B-Atome in der y-z-Ebene, C-Atome in der 
                                           x-z-Ebene, A auf der z-Achse)
C2v a1 a2 b1 b2

A
 
s
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B2
 
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1
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1
C2
 
σ
π
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1
1
0
1
13. AB4C tetragonal pyramidal
C4v a1 a2 b1 b2 e

A
 
s
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B4
 
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1
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C
 
σ
π
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0
0
0
0
0
0
1
14. AB3C2 trigonal bipyramidal
D3h a1' a1'' a2' a2'' e' e''

A
 
s
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d
1
0
1
0
0
0
0
0
0
0
1
0
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B3
 
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1
0
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C2
 
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0
0
0
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0
1
0
1
Tabelle nach G.E. Kimball, J. Chem. Phys. 8, 188 (1940), berichtigt durch Werner Kutzelnigg.

 

In der obigen Tabelle haben wir die Kimball-Tabellen für die wichtigsten ABn-Strukturen mit geometrisch äquivalenten B-Atomen zusammengestellt, nämlich AB2 linear (D∞h), AB2 gewinkelt (C2v), AB3 planar (D3h), AB3 pyramidal (C3v), AB4 eben quadratisch (D4h), AB4 tetraedisch (Td), AB6 oktaedrisch (Oh), AB8 würfelförmig (Oh), AB8 antiprismatisch (D4d), AB8 dodekaedrisch (D2d), AB12 ikosaedrisch (Ih). Nicht berücksichtigt haben wir AB4 rechteckig (D2h), AB4 pyramidal (C4v), AB4 diedrisch (D2d) und AB6 trigonal prismatisch (D3h), weil diese Strukturen allenfalls ausnahmsweise vorkommen. Für AB5, AB7 etc. gibt es keine Strukturen mit äquivalenten B-Atomen, außer solchen, bei denen die B-Atome ein ebenes regelmäßiges Polygon bildenin seltenen Fällen beobachtet wurde. In AB5-Molekülen gibt es also im Normalfall (mindestens) zwei Klassen von B-Atomen, so dass man diese Moleküle dem Fall ABmCn zuordnet.

Für die wichtigsten ABmCn-Strukturen sind in der Tabelle die Kimball-Tabellen ebenfalls angegeben, nämlich AB2C2 diedrisch (C2v), AB4C tetragonal pyramidal und AB3C2 trigonal bipyramidal.

Bei der Benutzung der Kimball-Tabellen muss der Aspekt der Entartung berücksichtigt werden. Eine 1 bei einer e-Darstellung steht für zwei entartete, eine 1 bei einer t-Dastellung für drei entartete AO's. (Die vierfach entarteten u- und die fünffach entarteten v-Darstellungen kommen nur bei AB12 in der Ikosaedergruppe Ih vor.)

Bei vielen Punkt-Symmetriegruppen ist die Orientierung des Moleküls in Bezug auf die Symmetrieelemente nicht eindeutig. Dies gilt z.B. für C2v, D2, D2h, bei denen man am besten ein cartesisches Koordinatensystem festlegt, dann wie bei den Charaktertafeln im Anhang die Symmetrieelemente in diesem Koordinatensystem klassifiziert und auch die Lage der B- bzw. C-Atome in diesem Koordinatensystem festlegt. Um Mißverständnisse zu vermeiden, muss man diese Wahl explizit angeben.

Es ist eigentlich erstaunlich, wie viel Information man über die MO's und über die Bindung in einem ABn-Molekül, ohne zu rechnen, rein aus Symmetrieüberlegungen gewinnen kann. Allerdings muss man wissen, welche AO's zur Bindung beitragen. Das "Beitragen" oder "Nichtbeitragen" betrifft in Wirklichkeit nie eine ja-nein-Entscheidung, sondern es gibt gleitende Übergänge, vor allem bezüglich der d-AO's der Atome Si, P, Cl. etc. Viel Verwirrung rührte daher, dass man sich gezwungen glaubte, in Bezug auf die d-AO's eine ja-nein-Entscheidung fällen zu müssen.

Bei schwacher Beteiligung eines AO's (d.h. wenn es energetisch hoch liegt oder schlecht überlappt) sind MO's, die bei "Beteiligung" bindend wären und bei "Nichtbeteiligung" nichtbindend, wahrscheinlich schwach bindend.

Die "wirklichen" MO's sind zwar nicht mit dem MO's der LCAO-Näherung identisch, aber sie haben in allen bekannten Fällen, ähnlich wie wir das schon bei den zweiatomigen Molekülen sahen, das gleiche Symmetrieverhalten. Die mit Hilfe der Kimball-Tabellen gewonnene Klassifikation der MO's nach Symmetrierassen ist von allgemeinerer Gültigkeit als die LCAO-Näherung, die ihrer Ableitung zugrunde gelegt wurde.

Wir wollen hier bewußt auf quantitative Argumentationen über die "Aufspaltung" der AO-Energien und die Reihenfolge der MO-Niveaus verzichten, weil diese doch recht problematisch sind und weil wir das in sich konsistente Schema der Symmetrieüberlegungen nicht durch so umstrittene Dinge wie Einelektronennäherung und Näherungen über Matrizenelemente "verunreinigen" wollen. Es sei bemerkt, dass wir uns nur auf das Aufbauprinzip berufen haben (wonach die MO's von der tiefsten Energie an aufsteigend besetzt werden), nicht aber darauf, dass die Gesamtenergie die Summe von Orbitalenergien ist.
 

Tabelle: Symmetrieverhalten von AO's des Zentralatoms in 
               Umgebung verschiedener Symmetrien
  D∞h C2v D3h C3v D4h C4v Td Oh Ih
s σg a1 a1' a1 a1g a1 a1 a1g ag
px πu b1 e' e eu e t2 t1u t1u
py πu b2 e' e eu e t2 t1u t1u
pz σu a1 a2'' a1 a2u a1 t2 t1u t1u
dxy δg a2 e' e b1g b1 t2 t2g vg
dyz πg b2 e'' e eg e t2 t2g vg
dxz πg b1 e'' e eg e t2 t2g vg
d σg a1 a1' a1 a1g a1 e eg vg
dx²−y² δg a1 e' e b2g b2 e eg vg

Bei der Verwendung der Kimball-Tabellen machen wir davon Gebrauch, zu welchen irreduziblen Darstellungen die symmetrieadaptierten Linearkombinationen der A- bzw. Bn-AO's gehören, nicht aber, wie diese Linearkombinationen explizit aussehen. Werner Kutzelnigg hat in "Einführung in die Theoretische Chemie" in Tabelle 10 "Symmetrieadaptierte Linearkombinationen von AO's der Außenatome in ABn-Molekülen" für einige ausgewählte Strukturen diese Linearkombination angegeben. Diese zu kennen ist nötig, wenn man die MO's genähert berechnen will.

In diesem Abschnitt haben wir für ein gegebenes Molekül auch seine Struktur als gegeben angesehen und nicht danach gefragt, warum das Molekül gerade diese und nicht eine andere Struktur hat. Mit einigen Aspekten dieser Frage werden wir uns im kommenden Abschnitt beschäftigen. Wir wollen aber bereits hier ein Beispiel dafür geben, dass die Kimball-Tabellen gelegentlich auch Fragen nach der stabilsten Geometrie beantworten helfen können. Wir fragen zum Beispiel: ist für das CH4 das ebene Quadrat (D4h) oder der Tetraeder (Td) energetisch günstiger? Im ersten Fall (D4h) sind die Valenz-MO's:

1a1g (b.),               2a1g (a.)
1a2u (n.)
1b2g (n.)
1eu (b.),               2eu (a.);
von diesen sind drei bindend (eu zählt doppelt), zwei nichtbindend und drei antibindend. Im Fall Td sind dagegen die MO's:
1a1 (b.),               2a1 (a.)
1t2 (b.),               2t2 (a.)
d.h. vier sind bindend (t2 zählt dreifach) und vier antibindend.

Nun sind acht Elektronen unterzubringen, die im Tetraeder vier bindende MO's, im Quadrat aber drei bindende und ein nichtbindendes MO besetzten. Das spricht für größere Bindungsfestigkeit im Tetraeder.

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