Fundamentalgleichungen der Thermodynamik
 
 
Wir haben uns mit der Entropie beschäftigt, um zu untersuchen, in welche Richtung ein Vorgang spontan abläuft. Allerdings müssen wir dabei sowohl das System als auch seine Umgebung untersuchen. Wie wir gesehen haben, ist es nicht schwierig, Entropieänderungen in der Umgebung eines Systems zu berechnen: wir werden nun sehen, dass man eine einfache Methode entwickeln kann, bei der der Beitrag der Entropieänderung in der Umgebung automatisch berücksichtigt wird. Damit können wir in Zukunft unsere Aufmerksamkeit ganz auf das System konzentrieren, damit die weiteren Ableitungen einfacher werden.
Betrachten wir ein System, das sich im thermischen Gleichgewicht mit seiner Umgebung befindet. Nun soll infolge einer Zustandsänderung des Systems ein Wärmeaustausch mit der Umgebung stattfinden; die Clausiussche Ungleichung lautet in diesem Fall
 
dS - dq/T ≥ 0.
 
Diese Ungleichung hat den großen Vorteil, dass sie ein Kriterium für spontane Vorgänge ist und dabei nur Eigenschaften des System enthält. Die Ungleichung kann man auf zwei verschiedenen Wegen (konstantes Volumen oder konstanter Druck) weiterentwickeln:
 
konstantes Volumen
Für einen Wärmeübergang bei konstantem Volumen  ist (dq)V = dU. Wir erhalten dS −  dU/T 0 oder dU −  TdS ≤ 0 (bei konstantem Volumen). 
Sind Innere Energie oder Entropie konstant (dU = 0 oder dS = 0), dann gilt: 
(dS)U,V  ≥ 0 und (dU)S,V  ≤ 0.
konstanter Druck
Für einen Wärmeübergang bei konstantem Druck ist (dq)p = dH und wir erhalten  dS −  dH/T oder  dH −TdS 0 (bei konstantem Druck). 
Sind die Enthalpie oder die Entropie konstant (dH = 0 oder dS = 0), dann gilt: 
(dS)H,p    0 und  (dS)S,p  ≤ 0.
 
Das sind jetzt Kriterien für spontane, von selbst ablaufende Vorgänge, die nur noch Eigenschaften des Systems enthalten. Es liegt nun nahe, Zustandsfunktionen zu definieren, die den Minimalkriterien dU −  TdS ≤ 0 bzw. dH −TdS ≤ 0 gerecht werden.  
Freie Energie (Helmholtz-Funktion):
A = U −TS,
 
 Freie Enthalpie (Gibbs-Funktion):
G = H −TS.
 
Alle Größen beziehen sich auf das System; wird der Zustand eines Systems bei konstanter Temperatur verändert, so gilt für die Änderungen dieser beiden Funktionen
dA = dU − TdS −SdT
bzw. bei konstanter Temperatur
dA = dUTdS 
(dA)T,V  ≤ 0.
 
dG = dH −TdS −SdT 
bzw. bei konstanter Temperatur
dG = dH −TdS 
(dG)T, p  ≤ 0.
 
Die beiden Ungleichungen sind das wichtigste Resultat, das die Thermodynamik der Chemie gebracht hat. Wir haben damit Kriterien gewonnen, die bestimmen, ob Vorgänge spontan ablaufen.
 
Ein Vorgang bei konstanter Temperatur und konstantem Volumen läuft dann spontan ab, wenn (dA)T,V < 0 gilt. Mit anderen Worten, unter diesen Bedingungen ist ein spontaner Vorgang mit einer Abnahme der freien Energie A verbunden. Solche Systeme bewegen sich spontan in Richtung eines Zustands mit geringerer Freier Energie A, und die Gleichgewichtsbedingung lautet (dA)T,V = 0. Ursache für den spontanen Vorgang ist die Zunahme der Entropie des Weltalls. Man sollte sich nicht von der Gestalt der Formel für dA  täuschen lassen: dS ist die Änderung der Entropie des Systems und −dU/T die Änderung der Entropie der Umgebung; die Summe dieser beiden Größen strebt einem Maximum zu. 

Die freie Energie hat auch eine anschauliche Bedeutung. Wenn wir für einen Vorgang dA kennen (und ΔA für einen endlichen, Messbaren Vorgang), so können wir die maximale Arbeit wmax , die das System leistet, angeben. Aus diesem Grunde wird A auch gelegentlich die maximale Arbeit oder Arbeitsfunktion genannt: Ist der Vorgang isotherm und sind Ausgangs- und Endzustand bekannt, so können wir schreiben: 

wmaxΔA= ΔU−TΔS. 

 
 
Die Freie Enthalpie, auch unter dem Namen Gibbs-Funktion bekannt, brauchen wir in der Chemie viel häufiger als die Freie Energie, denn im Labor arbeiten wir meistens bei konstantem Druck und nicht bei konstantem Volumen. Unser Kriterium (dG)T,p ≤  0 wird in der Chemie wie folgt formuliert: bei konstantem Druck und konstanter Temperatur laufen Reaktionen freiwillig ab, wenn dabei die Freie Enthalpie abnimmt: 
ΔG= GProdukte −GEdukte.
Wenn ΔG negativ ist, dann hat die Reaktion das Bestreben, in der angegebenen Richtung (Edukte → Produkte) abzulaufen. Wenn ΔG positiv ist, so läuft sie spontan nur in der umgekehrten Richtung ( ← ) ab. 

Welche Rolle die Freie Enthalpie spielt, kann man besonders deutlich daran sehen, dass es spontane endotherme Reaktionen gibt. Bei endothermen Reaktionen ist ΔH>0, d.h. bei ihnen nimmt die Enthalpie zu! Wenn eine endotherme Reaktion spontan abläuft, muss ΔG negativ sein. Folglich muss, weil wir positives Δvorausgesetzt hatten, TΔS positiv und größer als Δsein. Das heißt aber, endotherme Reaktionen kommen durch eine starke Entropiezunahme im System zustande; diese muss so groß sein, dass sie die Entropieabnahme in der Umgebung (wegen des Wärmeflusses aus der Umgebung in das System, ΔSUmg  = −ΔH/T) kompensiert.

 
 

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