Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik

Manche Vorgänge laufen von selbst (spontan) ab, andere hingegen nur, wenn sie von außen beeinflusst werden. Ein Gas dehnt sich in jedes verfügbare Volumen aus, es zieht sich aber nicht von allein in ein kleineres Volumen zusammen (sonst würde uns plötzlich die Luft wegbleiben). Ein Tropfen Milch fällt in Kaffee und verteilt sich gleichmäßig. Umgekehrtes Verhalten, dass sich die Milch im Kaffee zu einem Tropfen sammelt, der nach oben steigt, hat nie jemand beobachtet. Beim Verbrennen von Diamanten entsteht Kohlendioxid, aus heißem Kohlendioxid bilden sich aber bedauerlicherweise keineswegs Diamanten. Es muss also in der Natur ein Prinzip geben, das die Richtung spontaner Vorgänge bestimmt.

Die Gesamtenergie ist es nicht, denn nach dem Ersten Hauptsatz bleibt die Energie bei jedem Vorgang erhalten. Es ist auch nicht die Energie des Systems selbst, die in Richtung eines Minimums strebt, denn ein perfektes Gas expandiert spontan in ein Vakuum, obwohl dabei seine Innere Energie konstant bleibt. Wenn die Energie eines Systems bei einem spontanen Prozeß abnimmt, muss (nach dem Ersten Hauptsatz) die Energie der Umgebung um den gleichen Betrag zunehmen. Die Energiezunahme in der Umgebung ist genauso ein spontaner Prozess wie die Energieabnahme innerhalb des Systems. Warum sollte der eine Teil unserer Welt (das Systems) gegenüber dem anderen Teil (der Umgebung) irgendwie ausgezeichnet sein?

Gelegentlich wird auch ein Hohelied auf die Sonne gesungen, die uns mit Energie beliefert und damit die Entstehung von Leben erst ermöglicht. Doch die Energie auf der Erde ist konstant: Es wird der gleiche Energiebetrag, der von der Sonne aufgenommen wird, ins Weltall wieder in Form von Wärmestrahlung abgegeben (die Energieanreicherung der Erde durch Erdöl und Kohle ist in diesem Zusammenhang unwichtig). Das bedeutet, dass nur eine Betrachtung der Energie der Sonne nicht ausreichend ist, um die Entstehung von Leben zu erklären.

Bei jedem Vorgang bleibt die Gesamtenergie konstant, geändert wird aber ihre Verteilung: Spontane Vorgänge sind immer mit einer Verringerung der "Qualität" von Energie verbunden in dem Sinne, dass sie dabei stärker verteilt wird, so dass mehr Unordnung resultiert. Spontane Vorgänge sind eine Folge des Strebens der Welt nach größerer Unordnung. So bekommen wir von der Sonne das sehr kurzwellige sichtbare und UV-Licht, das letztlich in Wärmestrahlung, also langwelliges Licht, umgewandelt wird.

Noch nie hat jemand beobachtet, dass sich die Luft in einem Zimmer plötzlich in einer Ecke ansammelt, während wir in der anderen Ecke ersticken müssen. Damit das passieren könnte, müßte etwas besonders geschehen: Es müssten sich alle Atome gleichzeitig in dieselbe Richtung bewegen, damit die Luft sich in einer Ecke konzentrieren kann. Die Wärmebewegung ist aber ungeordnet; dass sie zu einer geordneten Bewegung führt, ist vollkommen unwahrscheinlich (nicht unmöglich, aber extrem unwahrscheinlich).

Damit haben wir ein Kriterium gefunden, das uns die Richtung eines spontanen Vorgangs anzeigt: Wir müssen herausfinden, welche Richtung des Vorgangs zu einer stärker ungeordneten Verteilung der Gesamtenergie führt.

Ein kalter Gegenstand wird nicht spontan wärmer als seine Umgebung, weil es extrem unwahrscheinlich ist, dass die ungeordnete Wärmebewegung der Atome zu einer Ansammlung überschüssiger thermischer Energie an einer Stelle führt. In der Gegenrichtung läuft der Vorgang dagegen spontan ab, denn die Ausbreitung der Wärmebewegung führt zu einer Erhöhung der Unordnung. Ein Diamant geht bei Verbrennen in Kohlendioxid über, weil die Energie, die zuerst in dem kleinen, geordneten Kristall lokalisiert ist, von den beweglichen Gasmolekülen schnell weggeführt und per Stöße mit anderen langsameren Molekülen in alle Richtungen verteilt wird. Der umgekehrte Vorgang ist völlig unwahrscheinlich.

Spontane Vorgänge lassen sich niemals umkehren, ohne dass (irgendwo im Weltall) die Qualität von Energie verringert wird. Mit anderen Worten: Es ist zwar möglich, zwischen zwei Körpern eine Temperaturdifferenz zu erzeugen, aber nur auf Kosten der Qualität der Energie an anderer Stelle. Ein Eisschrank arbeit z.B. mit Elektrizität, die anderswo z.B. durch ein sinkendes Gewicht (Wasser) erzeugt wird. Den umkehrten Vorgang, das Anheben eine Gewichtes nur auf Kosten der Wärmeenergie eines Reservoirs, ohne dass sonst irgendwo eine Veränderung erfolgt, hat noch nie jemand beobachten können. Aus dieser Erfahrung formulieren wir nach Lord Kelvin das folgende allgemeine Prinzip (II. Hauptsatz der Thermodynamik):

Es ist unmöglich, eine zyklisch arbeitende Maschine zu konstruieren, die keinen anderen Effekt produziert, als die Entnahme von Wärme aus einem Behälter und die Verrichtung eines gleichen Betrages an Arbeit.

In dieser Formulierung hat die Forderung, dass die hypothetische Maschine zyklisch arbeiten soll, eine besondere Bedeutung. Nur bei einem Kreisprozess kehrt der arbeitende Stoff in seinen Ausgangszustand zurück; eine zyklisch arbeitende Maschine vollführt eine Reihe von Kreisprozessen. Es ist durchaus kein Problem und widerspricht auch nicht dem II. Hauptsatz, Wärme in einem nichtzyklischen Prozess vollständig in Arbeit zu verwandeln: Man braucht nur ein Gas, das in Verbindung mit einem Wärmebehälter steht, expandieren zu lassen.

So ist die Sichtweise der klassischen empirischen Thermodynamik. Ludwig Boltzmann ging von einer mikroskopischen Betrachtung der Prozesse aus und dies führt uns weiter zur Beschreibung der Dynamik einer chemischen Reaktion.
 

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