Eine Messung in der Quantenmechanik

Wir kennen bereits den Meßvorgang "Welchen-Weg-nimmt-das-Teilchen" beim Doppelspaltexperiment:
Dabei muss es offenbaren, ob es durch Spalt 1 oder durch Spalt 2 geht. Die Wahrscheinlichkeitsamplitude y(x) = a1φ1(x) + a2φ2(x) wird durch die Messung verändert und nimmt nun den Wert y(x) = a1φ1(x) an, falls das Teilchen den Spalt 1 passiert, oder y(x) nimmt den Wert y(x) = a2φ2(x) an, falls der Spalt 2 passiert wird. Die Wellenfunktion wird also durch die Messung auf einen Wert festgelegt (entweder a1φ1(x) oder a2φ2(x)). Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom Kollaps der Wellenfunktion oder von der Reduktion des Zustandsvektors, da die Gesamtamplitude a1|1> + a2|2> entweder auf a1|1> oder auf a2|2> reduziert wird. D.h. bei der Messung "Welchen-Weg-nimmt-das-Teilchen" wird aus der ursprünglichen Superposition (Linearkombination) ein Summand durch die Messung herausgegriffen. Nach der Messung wird das System nur durch die Funktion φ1(x) (bzw.φ2(x)) beschrieben. Die Größe a1 bzw. a2 ist lediglich eine Konstante und kann weggelassen werden. Diese neue Funktion φ1(x) (bzw.φ2(x))  legt nun die weitere Entwicklung das Systems fest. Wer dies nicht versteht, sei beruhigt: es versteht keiner, aber es funktioniert! Erst in jüngster Zeit beschäftigt man sich mit diesem "Kollaps der Wellenfunktion" intensiver, um besser das Prinzip einer Messung in der Quantenmechanik zu verstehen. Wir wollen uns an dieser Stelle jedoch mit der Feststellung begnügen, dass die Operation der Messung "Welcher Weg" sich so auf die Wellenfunktion auswirkt, dass nur φ1 oder φ2 übrigbleibt und von nun an charakteristisch für das System ist. Nun beschreibt dieses y = φ1 (bzw. y = φ2(x)) den weiteren Verlauf. Dazu ein einfaches Experiment mit Polarisatoren.

Ein unpolarisierter Lichtstrahl Q wird von einem Polarisator A in parallele (||) und senkrechte (^) Komponenten aufgetrennt, wobei || und ^ relativ zu einer ausgezeichneten Achse von A definiert sind.


|Q>  =  a|||A||> + a^|A^>

Es gibt bzgl A zwei Zustände |A||> und |A^>, die vom Analysator geprobt werden. Der Zustandsvektor |Q> ist dann |Q> = a|||A||> + a^|A^>. Für die Gesamtwahrscheinlichkeitsamplitude zum Beobachten paralleler und senkrechter Polarisation (also Summe aller Möglichkeiten) muss gelten:

<Q|Q>  =  1  =  (a||*<A||| + a^*<A^|)·(a|||A||> + a^|A^>)  =  |a|||2<A|||A||> + a^*a||<A^|A||> + a||*a^<A|||A^> + |a^|2<A^|A^>

 =  |a|||2 + |a^|= 1

|a^|2 ist die Wahrscheinlichkeit ^ Polarisation zu finden.
|a|||2 ist die Wahrscheinlichkeit || Polarisation zu finden.

Der Analysator A projiziert |Q> auf die (Analysator)-Zustände |A||> oder |A^>. Nach erfolgter Projektion, z.B. auf |A||> wird ein nachgeschalteter gleicher Analysator stets |A||> und niemals |A^> beobachten. Das System ist in der Zustand |A||> überführt, Von nun an muss die Wahrscheinlichkeitsamplitude nur durch a|||A||> beschrieben werden.

Messung || :  |<A|||Q>|2  =  |a|||2
Messung ^:  |<A^|Q>|2  =  |a^|2

Nach dem Analysator A ist |Q>neu = a|||A||>. Jeder weitere nicht verdrehte Analysator mit gleichen Eigenschaften wie der erste mißt bzgl. ||

<A|||Q>neu  =  a||<A|||A||>  =  a||

Die Beobachtungswahrscheinlichkeit ist dann stets

P||  =  |<A|||Q>neu|2  =  |a|||2

Für eine Analyse bzgl. ^ gilt:
<A^|Q>neu  =  a||<A^|A||>  =  0

P^  =  |<A^|Q>neu|2  =  0

Ebenso können wir das Beispiel für die Projektion auf den Zustand A^> durch den 1. Analysator durchspielen:

|Q>neu  =  a^|A^>

    P^  =  |<A^|Q>neu|2  =  |a^|2

P||  =  |<A|||Q>neu|2  =  0


Nun verdrehen wir den zweiten Polarisator gegenüber dem ersten. Da es dadurch ein anderes Analysegerät ist, wollen wir es B nennen; mit den Zuständen |B||> und |B^>. Die Gesamtwahrscheinlichkeitsamplitde bzgl. B ist dann

|q>  =  b|||B||> + b^|B^>

Man beachte, dass || und ^ immer bezüglich der Polarisatoren definiert sind, d.h. hier sind || und ^ bezgl. B definiert! Wir betrachten den Ausgang des Analysators A, d.h. wir haben den "Ausgangspunkt" |Qneu> = a|||A||>.


b|| ist die Komponente bzgl. des Zustandes |B||> und b^ ist die Komponente bzgl. |B^>. Die Komponenten werden wiederum bestimmt durch Projektion des Vektors |q> auf die |B||> bzw. |B^>-Achse. Der "Ausgangspunkt" |Qneu> für den ||-Kanal ist a|||A||> = b|||B||> + b^|B^> = |q>. Eine Messung von B|| ergibt daher: <B|||Qneu> = a||<B|||A||> = b||<B|||B||> + b^<B|||B^>, woraus sofort folgt (<B|||B||> = 1 und <B|||B^> = 0):

b|| = a||<B|||A||>
und entsprechend: b^ = a||<B^|A||>

Man beachte <B|||A|| 1 und <B^|A|| 0, da i.a. B|| nicht parallel zu A|| und B^ nicht senkrecht zu A|| steht.

Die Wahrscheinlichkeit eine Polarisation bzgl. || zu beobachten ist dann

P||  =  |b|||2  =  |a|||2 |<B|||A||>|2

oder bzgl. ^ :

P^  =  |b^|2  = |a|||2 |<B^|A||>|2

Falls Analysator B soweit verdreht wird, dass A||^ B|| ist, dann wird <B|||A||> = 0 und <B^|A||> = 1, d.h.
 

P||  =  0
und
P^  =  |a|||2


Jetzt schieben wir noch einen dritten Analysator C zwischen A und B und zwar so, dass dieser einen Winkel J   0° < J < 90° bzgl. des Analysators A einnimmt, aber weiterhin B ^ A ist.

In dieser Anordnung kommt Licht aus B^. Entfernen wir C, dann kommt kein Licht aus B^! Durch den Analysator C werden die Teilchen (Photonen) im Zustand c||f|| + c^f^ präpariert, wobei c|| bzw, c^ die relativen Anteile der Wahrscheinlichkeitsamplitude (in Abhängigkeit von Drehwinkel J) angeben. Dies ist nun der Ausgangszustand für alle weiteren Messungen und es gibt daher auch eine Komponente bzgl. B^. Ohne den Analysator C ist aber die Komponente bzgl. B^ Null, da ja eine senkrechte Anordnung zwischen A und B gewählt wurde.

Durch die Messung wird das System von den möglichen Zuständen (|| und ^) in einem einzigen Zustand bzgl. des Meßapparates (entweder || oder ^) präpariert. Dieser Zustand ist immer bezüglich des Polarisators definiert, mit dem die Messung durchgeführt wird. Die Wahrscheinlichkeitsamplitude wird durch A auf den Zustand A|| (oder A^) projiziert (Analysator A). Von nun an ist die Amplitude durch den Zustand A|| (oder A^) festgelegt. Dies ist nun der Ausgangspunkt für weitere Experimente. D.h. für eine Messung der Polarisation mit einem verdrehten Polarisator C messen wir nun c|| bzw. c^ relativ zu diesem neuen Polarisator C.
Natürlich können wir andere Größen, wie z.B. die Wellenlänge des Lichts unbeeinflußt von der Messung der Polarisation durchführen.

Wenn wir eine Ortsmessung durchführen, dann projizieren wir y auf die "Ortszustände" x und von nun an ist y bzgl. x festgelegt. Eine anschließende Messung des Impulses wird nun ein anderes Ergebnis liefern, als eine Messung bei der der Impuls ohne vorherige Ortsmessung bestimmt wird.


C soll nun nicht mehr ein Analysator sein, sondern es ist ein neuartiges Imstrument oder eine Maschine M, die in irgendeiner Weise die Polarisation verdreht. Das Licht geht dann von einem bestimmten Zustand, der durch A festgelegt ist (|A||> oder |A^>) aus, durch das neue Instrument M hindurch, um nach B (im Zustand |B||> oder |B^> zu gelangen. Wir schreiben hierfür in bekannter Weise von rechts nach links:

<nach|durch|von>

Starten wir beispielsweise im Zustand |A||> und machen nach der Maschine M eine Messung, um zu sehen, ob sich das Photon nun im Zustand B^ befindet, dann ist die Wahrscheinlichkeitsamplitude durch

<B^|M|A||>

gegeben. Wenn man von |A^> ausgeht, dann ist die Wahrscheinlichkeitsamplitude, das Photon in <B^| zu finden, durch

<B^|M|A^>

gegeben, was natürlich ein anderer Wert als <B^|M|A||> ist. Die Wahrscheinlichkeitsamplitude, das Photon im Zustand <B||| zu finden, ist dann durch

<B|||M|A||>     bzw.    <B|||M|A^>

gegeben, je nachdem, was die Ausgangslage ist. Wir haben insgesamt also vier Möglichkeiten:
 


 

 nach

  von
|| ^
|| <B|||M|A||> <B|||M|A^>
^ <B^|M|A||> <B^|M|A^>

Wir wollen nun das Photon, das in die Maschine M kommt, etwas allgemeiner beschreiben können und sagen, es befindet sich in einem beliebigen Zustand φ (dies könnte beispielsweise irgendeine Superposition von |A||> und |A^> sein). Wenn es die Maschine verlassen hat, dann wird es sich höchst wahrscheinlich (die Maschine soll ja irgendetwas an der Polarisation machen) in einem anderen Zustand y befinden. Wir können dafür schreiben:

y  =  Mφ

Das Symbol M ist weder eine Wahrscheinlichkeitsamplitude noch ein Zustand (oder ein Vektor). Es ist etwas Neues, das Operator genannt wird. Es operiert am ursprünglichen Zustand φ und erzeugt dadurch einen neuen Zustand y. Wir wollen solche Operatoren durch fette Symbole kennzeichnen. Gelegentlich findet man auch ein "Dach" ^ oberhalb eines Buchstaben als Kennzeichnung für einen Operator: z.B. Ô. Etwas mehr zu Operatoren gibt's hier.

Alles schön und gut; doch wie berechnen wir denn nun die Amplituden bzw. die Wellenfunktionen ?
Es gibt drei Möglichkeiten, die jeweils eng mit einer Person verknüpft sind:
 
1) Matrizenalgebra (Werner Heisenberg  }   Mathematisch sind alle drei Wege äquivalent.
2) Operatoren, DGL  (Erwin Schrödinger)
3) Pfadintegrale (Richard Feynman)

Wir werden uns im wesentlichen mit Operatoren und der Differentialgleichung von Schrödinger beschäftigen.

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