Das Wasserstoffmolekül-Ion H2+

Eine besonders einfache Form nimmt die LCAO-Entwicklung bei homonuklearen zweiatomigen Molekülen an; das sind Moleküle mit gleichen Atomen, wie beispielsweise H2, O2, N2 usw. Es empfiehlt sich, mit dem einfachsten dieser Systeme zu beginnen, dem Wasserstoffmolekül-Ion H2+. Da dieses Molekül-Ion nur ein Elektron enthält, hat seine Betrachtung dieselbe zentrale Bedeutung für Moleküle wie die des Wasserstoffatoms für die Struktur der Atome im Periodensystem.

Dabei beachten wir, dass in den beiden Säkulargleichungen die Größen αA und αB gleich sein müssen. Die beiden Enden des Moleküls sind nämlich nicht unterscheidbar und ein Elektron hat in φA (an einem Kern) dieselbe Energie wie in φB (am anderen Kern). Setzten wir folglich αA = αB = α, so lauten die Säkulargleichungen:
 

cA(a - E) + cB(b - ES) = 0
cA(b - ES) + cB(a - E) = 0

die nur dann eine "chemisch sinnvolle" Lösung (d.h. cA und cB ungleich Null) besitzen, wenn die Energie die beiden Werte
 

E±  =  [a ± b]/[1±S]

annimmt (Herleitung). Ganz einfach wird es, wenn S sehr klein gegenüber 1 ist:
 

E±  @ a ± b 

Bei "etwas größerem S" gilt in besserer Näherung:   E± @ a ± (b - aS)

Die Gleichungen zeigen, wie sich ein ursprünglich entartetes Paar von Energiewerten α in zwei verschiedene Werte aufspaltet und zwar symmetrisch bezgl. des ursprünglichen Energiewertes, falls S klein gegen 1 ist. Der eine neue Energiewert liegt dann höher und der andere niedriger als zuvor. Man erkennt auch, dass die Größe der Aufspaltung durch den Wert (b-aS) bestimmt ist. Das MO mit der tiefsten Energie wird bindendes MO genannt, denn dessen Energie ist kleiner als die des Wasserstoffatoms, und dieses stellt den Grundzustand des Moleküls dar. Das andere MO mit der höheren Energie ist das antibindende MO; dessen Energie ist größer als die des Wasserstoffatoms. Die Ergebnisse sind im folgenden Bild schematisch dargestellt. Eine Asymmetrie der Aufspaltung tritt nur dann auf, wenn S nicht gegen 1 vernachlässigt wird.
 

  E-    _____
         /            \
      _a______/               \___α__ 
         \               /
          \______/
E
 Energieaufspaltung  @  ± (b - aS)

Um nun die Wellenfunktion y = cAφA + cBφB für die Energiezustände zu bestimmen, benötigen wir noch die Koeffizienten cAund cB. Durch Einsetzen der beiden Energiewerte E± in die Säkulargleichungen erhalten wir die beiden Lösungen für die Koeffizienten: cA = ± cB. Die entsprechenden Molekülorbitale sind dann:
 

y+ = cAA + φB)
y-  = cAA- fB)

wobei die cA - wie üblich - über die Normierung (s.u.) bestimmt werden.

y+ = (φA + φB)/Ö[2(1+S)]
y- = (φA - fB)/Ö[2(1-S)]

Die sich so ergebenden Wellenfunktionen y+ und y- sowie deren Betragsquadrat |y+|² und |y-|² kann man sich für das H2+-Ion durch anklicken ansehen.

Für den weiteren Verlauf der Rechnung verwenden wir für φA und φB die Form als 1s-AO für das Wasserstoffatom; damit können wir dann α, β und S für jeden vorgegebenen interatomaren Abstand R berechnen. Auf diese Weise erhalten wir die elektronische Energie, und wenn wir dazu noch die Energie der Kernabstoßung /4peoR addieren, so erhalten wir die Energiekurve für das Molekül.
 

Abb.1: Verlauf der (absoluten) Energie für das bindende (+) und das antibindende MO (-) 
als Fkt. des internuklearen Abstandes R. Alles in atomaren Einheiten: ao = Bohrscher 
Radius, Energie/au: 1au = zweifache Ionisierungsenergie des Wasserstoffatoms. 

Die Ergebnisse sind in der nebenstehenden Abbildung dargestellt. Die Energiekurve für y+ ist die für den Grundzustand des Moleküls. Aus diesen Energiekurven folgen einige Eigenschaften des Moleküls:

Noch etwas Mathe zum H2+

Die Normierung (d.h. unser Elektron im gesamten Raum zu finden) muss 1 sein:

ò |y+|2 = 1 = cAA+ φB)·cAA+ φB) = cA2( ò |fA|2 + 2|φAφB| + B|2 )
                                                                            ¯               ¯             ¯
                                                                            1              2S             1

bindend:        cA2 = 1/[2(1+S)]y+ = (φA + φB)/Ö[2(1+S)]
antibindend:  cA2 = 1/[2(1-S)];   y- = (φA - fB)/Ö[2(1-S)]

Die Wahrscheinlichkeitsdichte P ist danach P = ( |fA|2 +2|φAφB| +|φB|2 )/[2(1+S)], d.h. die "Ladungsdichte des Elektrons" ist pro Kern 1/[2(1+S)] und 1/(1+S) dafür, dass das Elektron zu beiden Kernen gehört und damit die Bindung macht.

Mathematica-Besitzer können sich leicht selber die Funktionen y+ und y- sowie deren Betragsquadrat |y+|² und |y-|² darstellen (auch für beliebige internukleare Entfernung Rgl):

Rgl=2.4;
psiP=Exp[-Sqrt[x^2+y^2]/2]+Exp[-Sqrt[(x-Rgl)^2+y^2]/2]
psiM=Exp[-Sqrt[x^2+y^2]/2]-Exp[-Sqrt[(x-Rgl)^2+y^2]/2]
Plot3D[psiM, {x,-4,6}, {y,-4,4}, PlotPoints -> 50, PlotRange -> All]
Plot3D[psiP, {x,-4,6}, {y,-4,4}, PlotPoints -> 50, PlotRange -> All]
Plot3D[psiP^2, {x,-4,6}, {y,-4,4}, PlotPoints -> 50, PlotRange -> All]
Plot3D[psiM^2, {x,-4,6}, {y,-4,4}, PlotPoints -> 100, PlotRange -> All]


Der Hamilton-Operator für das H2+ lautet: H  = -  h²/2mD +e/4peo [- 1/rA - 1/rB + 1/R]
oder in sogenannten atomaren Einheiten (au): H  = - ½ D - 1/rA - 1/rB + 1/R
Beim H-Problem gilt: ( -½Δ - 1/rA) φA = - ½ φA     [Grundzustand Energie in au]

α = òfA*HφAdτ. Aus H-Problem wissen wir:  HφA = (- ½Δ - 1/rA - 1/rB + 1/RA = - ½ φA + (- 1/rB + 1/RA
α = -½ +  ∫φA* (- 1/rB + 1/RAdτ = -½ + J
mit dem sogenannten Coulombintegral  J = - òfA* · 1/rB · φAdτ + 1/R
ß  =  òfB* HφAdτ = − ½ òfBAdτ + φB* (- 1/rB + 1/RAdτ = -½ S + K
mit dem Austauschintegral  K = - òfB* 1/rBφAdτ + S/R

und dem Überlappungsintegral  S = - òfBA
 

 E±  =  [a ± b]/[1±S]  + [J±K]/[1±S] 

Für 1s-Orbitale erhalten wir:
    S  =  e-R (1 + R + R2/3)
    J  =  e-2R (1 + 1/R)
    K =  S/R - e-R(1 + R)  =  e-R[1/R - 2/3R]
 

Abb.2: Werteverlauf des Überlappungsintegral S, Coulombintegral J und Austauschintegral K



Mathematica-Besitzer können sich leicht selber die Funktionen darstellen:
Epl=  -1/2 +(J+K)/(1+S)
Emi= -1/2 +(J-K)/(1-S)
  S = Exp[-R]*(1+R+R^2/3)
  J = Exp[-2R]*(1+1/R)
  K= Exp[-R]*(1/R - 2*R/3)
Plot[{Epl,Emi}, {R,1,7}]
Plot[{S,J,K}, {R,0.7,7}]

Und so leicht findet man das Minimum von E+ mit Mathematica (Ableitung  Nullsetzen und nach R auflösen):

DEpl=D[Epl,R];
FindRoot[DEpl==0,{R,{1.5,2.5}}]

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