Raman-Spektren

Damit ein Übergang zwischen zwei nicht-entarteten Zuständen im Vibrations-Raman-Spektrum beobachtet werden kann, muss

G(yv') xGij) xG(yv'')  =  A

erfüllt sein. Mit αij sind die Komponenten des Polarisierbarkeitstensors α gemeint.  Im allgemeinen sind die sechs Komponenten (αxx, αyy, αxy, αxz und αyz) dieses Tensors verschieden. Diese Komponenten erscheinen in der rechten Spalte der Charaktertafel und sind auf diese Weise mit einer irreduziblen Darstellung verbunden. Bei Übergängen, bei denen mindestens ein Vibrationszustand entartet ist, muss die Gleichung entsprechend modifiziert werden:

G(yv') xGij) xG(yv'') É  A

In vielen Fällen wird der untere Zustand der Schwingungsgrundzustand v = 0 sein, der vollkommen symmetrisch ist: G(yv'') = A. Die Bedingungen für einen Raman-Übergang für nicht-entartete Schwingungen lautet damit:

G(yv') =  Gij).

An Hand der Charaktertafel der Punktgruppe C2v stellen wir fest, dass alle Grundschwingungen des H2O im Raman-Spektrum erlaubt sind, denn es gilt Gxx, αyy, αzz) = A1 und Gyz) = B1. Entsprechend finden wir, dass alle Normalschwingungen des NH3 (Punktgruppe C3v) ebenfalls erlaubt sind, denn G( αxx, αyy, αzz) = A1 und G [xx - αyy, αxy)(αxx, αyz)] = E.

In analoger Weise verfahren wir bei Acetylen, dessen Schwingungsmodi in untenstehender Tabelle zusammengefasst sind und das in Punktgruppe D∞h fällt. Ein lineares Molekül mit N Atomen hat 3N-5 mögliche Normalschwingungen. Für Acetylen ergeben sich 7 Schwingungsmoden, wobei zu beachten ist, dass die beiden Biegeschwingungen jeweils zweifach entartet sind.
 

Normalschwingungen des Acetylens 
    Mode ν/cm-1 irred. Darst. infrarot-
aktiv
Raman-
aktiv
symmetrische
CH-Streckschwingung
ν1 3374 σg+ nein ja
CC-Streckschwingung ν2 1974 σg+ nein ja
antisymmetrische
CH-Streckschwingung
ν3 3287 σu+ ja nein
trans-Biegeschwingung
(zweifach entartet)
ν4 612 πg nein ja
cis-Biegeschwingung
(zweifach entartet)
ν5 729 πu ja nein
In der 1−0-Bande des Acetylens sind im Raman-Spektrum nur die Übergänge 101, 201 und 401 erlaubt. (In der verwendeten Notation bezeichnet die Zahl die Schwingung, die 2 beispielsweise die CC-Streckschwingung, der untere Index den ursprünglichen Schwingungszustand und der obere Index den Schwingungszustand nach Anregung).

Die Übergänge des Acetylens sind ein schönes Beispiel für das sogenannte Ausschlußprinzip. Liegt in einem Molekül ein Inversionszentrum vor, so sind die Grundschwingungen mit gerader Symmetrie (g-Schwingungen) Raman-aktiv, aber infrarot-inaktiv. Umgekehrt sind die infrarot-aktiven u-Schwingungen mit ungerader Symmetrie Raman-inaktiv. Kurz, die beiden Spektren schließen sich gegenseitig aus.
 
Die ν4π-Torsionsschwingung des Ethylens

Es gibt aber auch Schwingungsübergänge, die sowohl im Infrarot- als auch im Raman-Spektrum verboten sind. Ein Beispiel hierfür ist die nebenstehend dargestellte au-Torsionsschwingung des Ethylens. Die irreduzible Darstellung au weist in der Punktgruppe D2h weder eine Translationskomponenten noch eine Komponente des Polarisierbarkeitstensors auf.

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