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Entkopplung der Elektronenbewegung

In $\Psi$, der Lösung der Schrödinger-Gleichung (1), werden Elektronen und Atomkerne formal gleichbehandelt. Diese Tatsache wiederspricht dem üblichen ``chemischen'' Modell des Aufbaus eines Moleküls aus einzelnen, zueinander gebundenen ``Atomen.'' Da ein Atomkern mindestens 2000-mal schwerer ist als ein Elektron, könnte man annehmen, daß die Elektronen der Bewegung der Atomkerne nahezu unmittelbar folgen können und daß sich letztere schließlich in dem elektrostatischen Feld bewegen, welches aus den übrigen Atomkernen und allen Elektronen gebildet wird.

Um dieser Vorstellung vom Aufbau eines Moleküls gerecht zu werden, schreiben wir die Wellenfunktion $\Psi$ als das Produkt einer Funktion $\xi$, die nur von den Koordinaten der Atomkerne abhängt, mit einer Funktion $\psi$, die sowohl von den Elektronenkoordinaten, als auch von den Kernkoordinaten abhängt (vergl. Ref. [1,2])

 \begin{displaymath}
\Psi(\mathbf{r},\mathbf{R}) = \xi(\mathbf{R})\, \psi(\mathbf{r},\mathbf{R})
\end{displaymath} (5)

Eine ähnliche Zerlegung nehmen wir für den Hamilton-Operator (2) vor

 \begin{displaymath}
\hat H(\mathbf{r},\mathbf{R}) = \hat T_K(\mathbf{R}) + \hat H_E(\mathbf{r},\mathbf{R})
\end{displaymath} (6)

$\hat H_E$ ist der sog. ``elektronische Hamilton-Operator''

 \begin{displaymath}
\hat H_E(\mathbf{r},\mathbf{R}) := \hat T_E(\mathbf{r}) + \hat V(\mathbf{r},\mathbf{R})
\end{displaymath} (7)

Die Kern-Kern-Wechselwirkung, $\sum_{\mu<\nu} Z_\mu Z_\nu /\vert\mathbf{R}_\mu-\mathbf{R}_\nu\vert$, wird ebenfalls in $\hat H_E$ untergebracht; man nennt $\hat H_E$ auch den Hamilton-Operator der festgehefteten Atomkerne, engl.: clamped-nuclei hamiltonian.

Wir wollen nun die Konsequenz der Zerlegungen (5) und (6) untersuchen, und setzen sie zu diesem Zweck in die Schrödinger-Gleichung (1) ein

 \begin{displaymath}
\left(\hat T_K(\mathbf{R}) + \hat H_E(\mathbf{r},\mathbf{R}) - E\right)
\xi(\mathbf{R})\, \psi(\mathbf{r},\mathbf{R}) = 0
\end{displaymath} (8)

$\hat T_K$ wirkt auf beide Anteile der Wellenfunktion, siehe Gln. (5), während $\hat H_E$ nur $\psi$ verändert. Gln. (8) wird also unter Berücksichtigung der Gestalt von $\hat T_K$, siehe Gln. (3), zu

 \begin{displaymath}
-\sum_\mu {1\over 2M_\mu}\; \vec\nabla_\mu^2 \Big( \xi(\math...
...{r},\mathbf{R}) - E\right) \psi(\mathbf{r},\mathbf{R}) \;=\; 0
\end{displaymath} (9)

Das Differenzieren der Gesamtwellenfunktion nach den Kernkoordinaten, wie es im ersten Summanden auftritt, ergibt
 
$\displaystyle \vec\nabla^2 \left( \xi\, \psi \right)$ = $\displaystyle \vec\nabla \cdot \vec\nabla \left( \xi\, \psi \right)$  
  = $\displaystyle \vec\nabla \cdot \left( \psi\,\vec\nabla\, \xi
\;+\; \xi\, \vec\nabla\, \psi \right)$  
  = $\displaystyle \psi\,\vec\nabla^2\, \xi
\;+\; 2 \left(\vec\nabla\,\xi\right)\cdot\left(\vec\nabla\,\psi\right)
\;+\; \xi\,\vec\nabla^2\,\psi$ (10)

Wir setzen nun das Ergebnis dieser Nebenrechnung in Gln. (9) ein, multiplizieren von links mit $\psi^\ast$ und integrieren über die Elektronenkoordinaten r; der Übersichtlichkeit halber lassen wir die Argumente der Funktionen weg

\begin{displaymath}-\sum_\mu {1\over 2M_\mu}\left(
\left(\vec\nabla_\mu^2\, \xi\...
... \int\psi^\ast\,\vec\nabla_\mu^2\,\psi\,d\mathbf{r}
\right) +
\end{displaymath}


 \begin{displaymath}
\qquad \qquad \qquad \qquad
\;+\;
\xi \int \psi^\ast\left( \hat H_E - E\right) \psi \,d\mathbf{r}\;=\; 0
\end{displaymath} (11)

Wir nehmen nun an, daß $\psi$ bezüglich der Elektronenkoordinaten r auf eins normiert ist, was voraussetzt, daß die Elektronen gebunden sind

 \begin{displaymath}
\int \psi^\ast(\mathbf{r},\mathbf{R})\, \psi(\mathbf{r},\mathbf{R})\,d\mathbf{r}= 1
\end{displaymath} (12)

In diesem Fall läßt sich die Funktion $\psi$ reell wählen und wir erkennen, daß der rechte Teil des zweiten Summanden in Gln. (11) als Gradient des konstanten Normierungsintegrals (12) verschwindet

\begin{displaymath}2 \int \psi(\mathbf{r},\mathbf{R})\,\vec\nabla_\mu\,\psi(\mat...
...thbf{r},\mathbf{R})\,d\mathbf{r}
\;=\; \vec\nabla_\mu 1 \;=\;0
\end{displaymath} (13)

Gln. (11) vereinfacht sich also zu

\begin{displaymath}\hat T_K\, \xi
\;+\;
\xi \int\psi^\ast\,\hat T_K\,\psi\,d\mat...
...nt \psi^\ast\left(\hat H_E-E\right) \psi \,d\mathbf{r}
\;=\; 0
\end{displaymath} (14)

Wir definieren nun die Größen

\begin{displaymath}W(\mathbf{R}) := \int \psi^\ast(\mathbf{r},\mathbf{R}) \,\hat...
...hbf{r},\mathbf{R}) \,\psi(\mathbf{r},\mathbf{R}) \,d\mathbf{r}
\end{displaymath} (15)


\begin{displaymath}A(\mathbf{R}) := \int\psi^\ast(\mathbf{r},\mathbf{R})\,\hat T_K(\mathbf{R})\,\psi(\mathbf{r},\mathbf{R})\,d\mathbf{r}
\end{displaymath} (16)

und

W'(R) := W(R) + A(R) (17)

und erhalten schließlich die gewünschte Schrödinger-Gleichung für die Bewegung der Atomkerne

 \begin{displaymath}
\fbox{
$\left( \hat T_K(\mathbf{R}) + W'(\mathbf{R}) - E \right) \xi(\mathbf{R}) = 0$ }\end{displaymath} (18)


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Robert Gdanitz
1999-07-05

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