Fein, Hyperfein und der Drehimpuls des Photons

 
 Zeeman Effekt

Wir wollen nun den Einfluss einer Bewegung des Elektrons um einen positiven Kern näher betrachten. In Niels Bohr's klassischer Beschreibung bewegt sich das Elektron auf einer geschlossenen Bahn. Damit verbunden ist ein Ringstrom  I = −e/τ  (τ: Umlaufzeit). Mit einem solchen Strom ist ein magnetisches Moment  verknüpft, das über µ = I · F gegeben ist. Mit F = π r² (Fläche die überstrichen wird) erhalten wir µ = I · F = −e/τ (π r²). Für den Drehimpuls gilt L = mevr = me2p/τ , da v=2πr/τ

Wir erhalten danach: 

L  =  − e/2me


Da in der Quantenmechanik der Drehimpuls durch einen Operator dargestellt wird, erhalten wir für die Eigenwerte µLz einer z-Komponente (Lz y = ml h y):

µLz  =  − e/2meh· ml     mit der Abkürzung    µB  = eh/2me (Bohrsches Magneton)
 
µLz  =  −µB· ml      mit  µB  = eh/2me
µB  =  eh/2me  =  9,273 · 10-24 Am² =  9,273 · 10-24 J/T  =  5,787 . 10-5 eV/T  =  0,4668 cm-1/T  = 1,4 · 1010Hz/T         (T: Tesla)
Die Energie eines solchen Systems im Magnetfeld der Stärke  ist danach 
EB  =  −µLz· B  =  µB · ml· B
und die Gesamtenergie ist  E = E0 + EB, d.h. die Energieniveaus mit dem Drehimpuls zur Quantenzahl l spalten in 2l + 1 Niveaus auf:
Dieser Effekt wird als normaler Zeeman-Effekt bezeichnet

Der Grundzustand des Wasserstoffs sollte danach (ml = 0) nicht beeinflusst werden. Dies ist nicht der Fall, da H paramagnetisch ist! Die Ursache ist der Elektronenspin. Man mag nun vermuten, dass für den Spin das gleiche gilt, wenn man die klassische Vorstellung eines um die eigene Achse sich drehenden Elektrons als Ursache für den Spin annimmt. Doch findet man hier 

µSz  =  −gS µB · ms
EB  =   gS· µB· ms· B
Der so genannte gyromagnetische Faktor gS ergibt sich aus der relativistischen Dirac-Gleichung zu gS = 2. Das Experiment liefert
gS  =  2,00231930438(6)
Dieser Wert wird von der Quantenelektrodynamik erklärt, die eine vollständige Quantentheorie des elektromagnetischen Feldes ist. Dabei wird das elektromagnetische Feld in Normalschwingungen zerlegt, die wie beim harmonischen Oszillator quantisiert werden. Dabei kommt jeder Normalschwingung die Nullpunktsenergie hw/2 zu. Das bedeutet, dass fluktuierende elektromagnetische Felder vorhanden sind, auch wenn keine äußeren Felder einwirken. Obwohl die mittleren Feldstärken verschwinden, sind die quadratischen Mittelwerte der Felder ungleich Null, was zu mittleren quadratischen Schwankungen der Ortskoordinate führt.

Näheres zum Zeeman-Effekt findet man hier.


Die Größe gS · µB≈ 28 GHz/T gibt an, wie groß der Energieabstand aufgrund des Elektronenspins durch Anlegen eines Magnetfeldes ist. Da die heute erzeugbaren Magnetfelder bei einigen Tesla liegen, erwarten wir Übergänge im Gigahertzbereich (Mikrowellen) beim Anlegen solcher Felder. Bei der Elektronen-Spin-Resonanz (ESR)-Spektroskopie muss man daher mit Mikrowellen arbeiten. Bei der NMR sind es Radiowellen im MHz-Bereich. Den sehr einfachen Grund finden wir später.


Die Spin-Bahn-Kopplung

Die zwei Orientierungsmöglichkeiten des Elektronenspins () relativ zum Bahndrehimpuls () bewirken eine Verdopplung der Energieniveaus (natürlich außer s-Niveaus), die spektroskopisch beobachtbar ist, da die Spektrallinie bei genügend hoher Auflösung als Linienpaar (Dublett) sichtbar wird. Das bekannteste Beispiel hierfür ist die Natrium D-Linie bei den Wellenlängen 5890 Å und 5896 Å. Zum Verständnis der Spin-Bahn-Kopplung (oder Wechselwirkung) "setzen" wir uns in Gedanken zunächst auf den Atomkern: Das Elektron "umkreist" uns (resp. den Kern) mit dem Bahndrehimpuls. Setzen wir uns auf das Elektron, dann umkreist uns der Kern und erzeugt ein magnetisches Feld , das parallel zu steht (wegen der positive Ladung des Kerns). Da das Elektron (auf dem wir in Gedanken sitzen) ruht, gibt es nun eine Wechselwirkung des magnetischen Feldes mit dem magnetischen Moment S des Spins. Die Wechselwirkung ist proportional zu S.. Da  ||  und S ||  ist die Wechselwirkung proportional zu ., was den Namen Spin-Bahn-Kopplung erklärt. Die Energie des Elektrons aufgrund dieser Wechselwirkung ist dann

ESL  =  cSL. ./h²
wobei die Proportionalitätskonstante cSL über die Dirac'sche Gleichung berechnet werden kann.

Was ist mit  . ? Nun, wir haben als Messgröße (oder Observable) den Gesamtdrehimpuls :

  =   +
Natürlich können wir in der Quantenmechanik nicht den Vektor, d.h. alle drei Komponenten, exakt festlegen, wohl aber den Betrag und eine Komponente! Quadrieren der obigen Gleichung ergibt:
J²  =  L² + S² + 2  .   ® .  =  ½ (J² − L² − S²)
Da die Quadrate der Drehimpulse Erhaltungsgrößen sind, können wir die quantenmechanischen Operatoren durch die Eigenwerte ersetzen (wir benutzen nun Großbuchstaben für die Eigenwerte, da die Aussagen nicht nur fürs H-Atom gelten):
. º L. S  =  ½ [J(J + 1) − L(L + 1) − S(S + 1)] h²
Wir erhalten danach für die Spin-Bahn-Kopplungsenergie:
ESL  =  cSL/2[J(J + 1) − L(L + 1) − S(S + 1)]
Die Größe cSL ist durch Ausmessen der Dublettstruktur in den optischen Spektren direkt messbar.

Beim H-Atom erhalten wir (J = L ± S, S = ½)

ESL (­ ≡ J = L + ½)  =  ½ cSL · L

ESL (¯ ≡ J = L − ½)  =  − ½ cSL (L + 1)

 
J  =  L + S  ≡  1 + ½ = 3/2
J  =  L − S  ≡  1 − ½ = ½
Die Separation zwischen den Niveaus ist
ΔESL  =  ESL(­) − ESL (¯)  =  ½ cSL (2L + 1)

Zusammen mit der Proportionalitätskonstante cSL erhält Dirac für die Energieaufspaltung der Spin-Bahn-Wechselwirkung:
ΔESL  =  |En| Z²α²/n l(l +1)  ≈  5,3 · 10-5 /n l(l + 1) |En|
mit α = /h²ε0c = 1/137,0359895, die nach Sommerfeld benannte Feinstrukturkonstante. Die Energieeigenwerte für das komplette Wasserstoffatom (Spin-Bahn + Relativ. Effekt) ergeben sich nach der Dirac'schen Theorie zu:
EnJ  =  − mc²/2α²Z²/{1 + α²Z²/n(1/J + ½− ¾ n)}
Nach dieser Theorie sind die Energieniveaus mit gleichen J und n entartet. Z.B. sollten die Zustände 2²S½ und 2²P½ die gleiche Energie haben. Lamb und Rutherford gelang jedoch 1947 der Nachweis, dass diese Entartung nicht den experimentellen Tatsachen entspricht. Sie konnten mit Hilfe der Hochfrequenzspektroskopie den Übergang ²S½ ← ²P½ anregen, d.h. die Energieniveaus sind aufgespaltet, also nicht entartet; allerdings beträgt die Aufspaltung nur 0,03528 cm-1.



Doch damit noch nicht genug: Es gibt noch eine weitere Aufspaltung der Spektrallinien; die so genannte Hyperfeinstruktur. Diese wird durch die Wechselwirkung des Magnetfeldes (aufgrund der Elektronenbewegung) mit dem Kernspin hervorgerufen. Der Kern des Wasserstoffatoms, also das Proton, besitzt wie das Elektron den Spin I = ½ und damit ein magnetisches Moment P  =  −gI eh/2mp/h = µK/h

Aufgrund der hohen Masse mp ist µK ≡ Kernmagneton (µK = gI eh/2mp) um den Faktor me/mp kleiner !

Analog zur Feinstrukturkopplung müssen wir nun  und  koppeln, woraus der "neue" Gesamtdrehimpuls entsteht:

  = 
mit Fy = F(F +1) h² und Fzy  =  mF hy   ;     mF = −F, −F+1, ... F−1, F

Quadrieren der Gleichung für  und Auflösen nach  . liefert analog zum Ausdruck für die Feinstruktur die Erwartungswerte für die Hyperfeinenergie:

EHFS  =  cHFS/2{F(F + 1) - J(J + 1) - I(I + 1)}
Der niedrigste Term bei Wasserstoff 1²S½ spaltet danach in die beiden Terme mit F = 1 (Spin Elektron und Spin Proton ­­) und F = 0 (Spin Elektron und Spin Proton ­¯ antiparallel) auf. Ein Übergang zwischen diesen beiden Niveaus kann nur stattfinden, wenn der Spin umklappt. Dies ist extrem unwahrscheinlich (in der Tat beträgt die hierfür benötigte Zeit beim H-Atom ungefähr 10 Millionen Jahre), doch wird auch dieser Übergang im Weltall beobachtet (keine Stöße, viel H). Er liegt bei 1,4204 GHz (λ = 21 cm).

Da dieser Übergang den Drehimpuls des Systems von F = 1h nach F = 0h überführt, andererseits aber der Gesamtdrehimpuls in jedem Fall erhalten bleiben muss, folgt daraus, dass das Photon den Drehimpuls des Wasserstoffatoms übernommen haben muss. Also besitzt auch das Photon einen Drehimpuls.

Dieser Spin des Photons beträgt aber
  

SPhoton = 1h

Genau genommen ist die Bezeichnung Spin des Photons nicht sehr glücklich gewählt, da eine Projektion des "Photonenspins" auf die Flugachse nur die Werte m  = +1 oder m = -1 liefert, entsprechend rechts- und linkszirkular polarisiertem Licht, aber niemals m=0, was einer longitudinalen Polarisation des Lichtes entsprechen würde, die es aber nicht gibt! 

Der Spin des Photons hat bedeutsame Folgen für optische Spektren, denn wir erhalten Auswahlregeln für die Übergänge. Für einen Übergang zwischen dem initialen Niveau i und dem finalen f  mit den Drehimpulsen i bzw.f  muss aufgrund der Drehimpulserhaltung gelten:

i  = fPhoton
Natürlich mussPhoton nicht zwangsläufig gleich  sein, denn prinzipiell kann das Photon neben dem Spin noch relativ zum Atom einen Bahndrehimpuls besitzen. Anschaulich bedeutet die Emission eines Photons mit nichtverschwindenden Bahndrehimpuls, dass das Photon aus den Randregionen emittiert wird. Dieser Prozess ist jedoch äußerst unwahrscheinlich, so dass für die Quantenzahlen Ji und Jf aufgrund der Drehimpulserhaltung die Beziehung 
ΔJ  =  Jf − Ji  =  0 , ±1
gelten muss.
  
ΔJ  =  −1
ΔM  =  0 , ±1 
P-Zweig
ΔJ  =  0 
ΔM  =  ±1 
Q-Zweig
ΔJ  =  +1 
ΔM  =  0 , ±1 
R-Zweig
Falls Jf = 0 und Ji = 0 sind, dann ist ΔJ=0 wegen der Drehimpulserhaltung immer streng verboten. Wenn die Wechselwirkung zwischen  und  vernachlässigbar klein ist, dann "mag der Spin nicht umklappen" und es gilt die weitere (nicht ganz so zwingende) Auswahlregel:
  
ΔS  =  0
Die Auswahlregel für den Elektronenbahndrehimpuls sei hier schon einmal ohne Ableitung angegeben: 
Δl  =  ±1
Die möglichen Übergänge sind in der Abbildung angegeben (Balmer a-Linie, n = 3 ↔  n = 2). Die aufgrund der Bewegung der H-Atome verbreiterten Linien (Doppler-Verbreiterung) können mit Hilfe der Dopplerfreien Spektroskopie aufgelöst werden und die exakte Vermessung der Linienabstände erlaubt eine detaillierte Überprüfung der Theorie.

Natürlich muss die Drehimpulserhaltung auch bei Rotationsübergängen von Molekülen gelten. Für den einfachsten Fall eines linearen Moleküls, bei dem das (die) Elektron(en) keinen Beitrag zum Drehimpuls liefern bedeutet der Erhaltungssatz, dass ΔJ = ±1 ist, d.h. die Rotation kann sich um 1h erhöhen oder um 1h erniedrigen, wenn ein Photon absorbiert wird. Man spricht dann vom P-Zweig (die Rotation wird um 1h erniedrigt) bzw. vom R-Zweig (die Rotation wird um 1h erhöht).

Wenn der Gesamtdrehimpuls der Elektronen ¹ 0 ist, oder wenn das Molekül gewinkelt ist, dann kommt der Vektorcharakter des Drehimpulses bei den Auswahlregeln zum Tragen, denn nun ist auch ΔJ = 0 (Q-Zweig) möglich (außer J = 0 → J = 0 !), da eine Änderung von  (bzgl. der Richtung) möglich ist, ohne Änderung des Betrages von J.



Bei der Raman-Spektroskopie sind zwei Photonen involviert: Es findet ein Übergang vom initialen Zustand i in ein virtuelles Niveau statt und eine "Emission" aus diesem Zustand in einen finalen Zustand f. Da der Drehimpuls beider Photonen untergebracht werden muss (Drehimpulserhaltung) folgen daraus die Auswahlregeln für die Ramanspektroskopie: ΔJ = 0, ±2. Bei ΔJ = 0 kompensieren sich die Drehimpulse der beiden Photonen (­¯), bei ΔJ = ±2 addieren sie sich (­­ bzw. ¯¯). Man erhält so einen S-Zweig (ΔJ = +2) und einen O-Zweig (ΔJ = -2).

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