Rotations-Schwingungsspektren
Der schwingende Rotator


Das Trägheitsmoment Ie eines nichtschwingenden zweiatomigen Moleküls ist Ie = µre2.

Aufgrund der Schwingung erfolgt eine Mittelung über die quadratische Auslenkung r, Iv = µ< r2>; dadurch wird Iv größer (µ: reduzierte Masse).

Anschauliche Rechnung, r = re ± s :

Iv = µ<r2> = µ<(re ± s)2> = µre2± 2<µsre> + µ<s2> = µre2 + µ<s2>

(± 2 <µsre> mittelt sich raus), was offensichtlich größer als µre2 ist.

Die Rotationskonstante B wird daher schwingungsabhängig:

mit Schwingung: Bv = h/4πcµrv2 ohne Schwingung Be = h/4πcµre2.

Bv < Be

Man erhält zur Beschreibung von Bv folgenden Ansatz:

Bv = Be - αe(v + ½) und dto. Dv = De - βe(v + ½)

wobei  αe, βe kleine Korrekturgrößen sind.
 

Beispiel HCl:
Be Bv = 0 Bv = 1 Bv = 2 Bv = 3 / cm-1
Be = 10,5934 10,44 10,13 9,83 9,52
De = 5,32 · 10-4        
αe = 0,3072        
βe = 7,51 · 10-6        

Es soll im folgenden die Rotation der Elektronen um die Molekülachse vernachlässigt werden. Die Energie eines rovibronischen Zustandes ist dann [alles in cm-1]:
 

E = Evib + Erot = we(v + ½) - wexe(v + ½) + BvJ(J + 1) - DvJ2(J + 1)2

Die Energiedifferenz für einen Übergang v' ← v, v' = v + 1 (noch ohne J-Auswahl) ist dann unter Vernachlässigung der Zentrifugaldehnung D:
 

ΔE  =  we - 2wexe(v + 1)  + {Bv'J'(J' + 1) - BvJ(J + 1)}
½¾¾¾¾¾¾½
¯
n0

Für ΔJ = + 1, sogenannter R-Zweig, also J + 1 ← J gilt:
 

n = n0 + 2Bv' (3Bv' - Bv) J -  (Bv - Bv') J2    mit  J = 0, 1, 2, ...
(>0) (>0)

Für ΔJ = -1, sogenannter P-Zweig, also J - 1 ← gilt:

n = n0 - (Bv + Bv') J - (Bv - Bv') J2       mit   J = 1, 2, 3, ...

Der Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Linien J, J+1 ist

Dn (R-Zweig) = 2(2Bv' - Bv) - 2(Bv - Bv') J       (abnehmend)
Dn (P-Zweig) = 2Bv + 2(Bv - Bv') J                   (zunehmend)

Der Abstand zwischen zwei Linien beträgt danach ungefähr 2B, falls Bv » Bv' . Der Abstand zwischen 1. Übergang im R-Zweig und P-Zweig ist aber

Dn (R-P-Zweig) ≈ 4Bv

Fast alle zweiatomigen Moleküle zeigen ein solches Spektrum mit R- und P-Zweig. Als Beispiel ist das HCl dargestellt. Die Aufspaltung der Linien resultiert aus der Verwendung eines natürlichen Isotopengemisches, da sich die reduzierte Masse µHCl um 0,15% ändert. Dies bewirkt im wesentlichen einen Änderung der Schwingungsfrequenz, Dw» 2cm-1.
 

Vibrationsniveaus 
Ev  =  (v + ½) hw0
Rotationsniveaus 
Er  =  B · J (J + 1)
Vibrations- und Rotationsenergieniveaus eines zweiatomigen Moleküls                     P-branch              R-branch 
                  ΔJ  =  −1            ΔJ  =  +1 
Rovibronische Übergänge in einem zweiatomigen Molekül

Es gibt auch Moleküle, die ein Spektrum aufweisen, bei dem in der Bandlücke zwischen P- und R-Zweig zusätzliche Linien auftauchen. Dies ist der sogenannte Q-Zweig, für den ΔJ = 0 gilt. Natürlich muss die Rotation erhalten bleiben, d.h. solche Übergänge sind nur möglich, wenn sich die Rotationsachse ändert (Δ 0), bzw. wenn die elektronische Bewegung für eine Kompensation sorgt. So tritt bei rovibronischen Spektren zweiatomiger Moleküle der Q-Zweig nur dann auf, wenn die Elektronenbewegung ebenfalls einen Beitrag zum Gesamtdrehimpuls liefert.
 
Projektion der Elektronenrotation auf die Molekülachse: Λ = 0, 1, 2, ...

Man kennzeichnet die Größe dieses Drehimpulses als Projektion auf die Kernverbindungsachse durch die Quantenzahl Λ. Für Λ = 0 bleibt alles beim alten. Der Gesamtdrehimpuls des Moleküls (also Kernrotation + Elektron) ist |J| ≥ |Λ|.
Die Energieniveaus sind dann analog zum symmetrischen Kreisel.
 

EJ BJ(J + 1) +  (A - B) Λ2
­Kernrotation ­
Elektronenbewegung A >> B

Die Auswahlregeln für Λ ¹ 0 ändern sich; es ist jetzt neben

ΔJ = ± 1 auch ΔJ = 0 möglich.

Ein Beispiel ist NO; allerdings gibt's auch hier Spin-Phänomene, die eine detaillierte Betrachtung verkomplizieren. Vernachlässigen wir einmal den Spin, wie sieht dann so ein Q-Zweig (ΔJ = 0) aus?

E(v',J) - E(v,J) = n0 + Bv'J(J+1) + (A-Bv'2 - BvJ(J+1) - (A-Bv2

n0 (Q-Zweig) = n0 - (Bv-Bv')J(J+1) + (Bv-Bv'2

Da Bv ≈ Bv' müssen alle Q-Linien sehr dicht beieinander liegen.

Die Auswahlregeln für den symmetrischen Kreisel lauten für die sogenannte
Parallelbande (ΔK = 0)
für K = 0, ΔJ = ± 1      (wie 2atom. Molek.)
für K ¹ 0, ΔJ = 0, ± 1  (wie 2atom. mit Elektr.)

Senkrechtbande (ΔK = ± 1)
ΔJ = 0, ± 1

Die Intensität der rovibronischen Linien hängt natürlich von der Übergangswahrscheinlichkeit und den Besetzungszahlen NJ der betroffenen Zustände ab. Falls nur v = 0 populiert ist →

˜  NJ · |µJ'J|2

˜  NJ · SJ

SJ: Hönl-London-Faktoren

Für den einfachen Rotator sind die Übergangswahrscheinlichkeiten für große Rotationen unabhängig vom Übergang, d.h. die Besetzungszahlen im Vibrationsgrundzustand (J-Verteilung) bestimmen im wesentlichen die Intensität. Nach Boltzmann gilt:

NJ ˜ (2J+1) e-Erot/kT = (2J+1)e-BJ(J+1)/kT

Das Maximum der Besetzungszahlen können wir abschätzen, falls der Abstand zwischen den Rotationsniveaus << kT ist, was für T ≈ 300 K immer der Fall ist. Dann setzen wir J als Variable x an und suchen das Maximum:

dNx/dx = 0  d[(2x+1)e-Bx(x+1)/kT] /dx = 2e-Bx(x+1)/kT - B/kT(2x + 1)2e-Bx(x+1)/kT = 0

→ xmax = -½ + (kT/2B)½ = Jmax

Jmax ≈ (kT/2B)½        Beispiel:  Jmax(HCl) ≈ 2 - 3;  Jmax(I2) ≈ 50

Bei thermischen Verteilungen kann man daher aus den Linienintensitäten die Temperatur bestimmen, z.B. in der Stratosphäre. In chemischen Reaktionen werden die Produkte häufig mit einer Zustandsverteilung gebildet, die völlig von einer Boltzmannverteilung abweicht. Aus den Linienintensitäten kann hier auf die Besetzungszahl des jeweiligen Ausgangszustandes geschlossen werden (falls die Übergangswahrscheinlichkeit bekannt ist). Bei vielen Reaktionen, die HF bilden, wird HF in schwingungsangeregten Zuständen gebildet. Darüber kann der Ablauf einer Reaktion detaillierter (auf mikroskopischem Niveau) verstanden werden, was John C. Polanyi 1986 den Nobelpreis eingebracht hat (neben D.R Herschbach und Y.T. Lee).
 
 


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