next up previous
Next: Stationarisierung eines Funktionals Up: Variationsrechnung Previous: Variationsrechnung

Der Rayleigh-Quotient

Variationsrechnung ist ein mathematisches Verfahren zum Lösen von bestimmten Differentialgleichungen, wie sie z.B. in der klassischen Mechanik auftreten. Im Fall der Schrödinger-Gleichung (26) definiert man zu diesem Zweck den sogenannten ``Rayleigh''-Quotienten (nach Lord Rayleigh, einem Pionier der klassischen Mechanik)

 \begin{displaymath}
F[\Psi] := {\langle\Psi\vert\hat H\vert\Psi\rangle \over \langle\Psi\vert\Psi\rangle}
\end{displaymath} (27)

Man nennt eine Funktion, die eine andere Funktion zum Argument hat, ein ``Funktional.'' Wir verwenden im folgenden die allgemein übliche Dirac'sche Bracket-Notation. In dieser Notation schreibt sich die Schrödinger-Gleichung (26) als

\begin{displaymath}\hat H \vert\Psi\rangle = E\vert\Psi\rangle
\end{displaymath} (28)

Um zu einem Ausdruck der Form von Gln. (27) zu gelangen, projizieren wir formal beide Seiten von links mit $\langle\Psi\vert$

\begin{displaymath}\langle\Psi\vert\hat H \vert\Psi\rangle = E \langle\Psi\vert\Psi\rangle
\end{displaymath} (29)

Dies entspricht einer Multiplikation der beiden Seiten von Gln. (26) von links mit $\Psi^\ast$, dem konjugiert Komplexen von $\Psi$, und einer anschließenden Integration über alle Koordinaten (der Elektronen). Da E eine (reelle) Zahl ist, darf man sie vor das Integral ziehen.

Um physikalisch sinnvoll zu sein, muß (zumindest bei Grund- und niedrig angeregten Zuständen) $\Psi$ normierbar sein, d.h. es muß gelten $\infty < \langle\Psi\vert\Psi\rangle < 0$. Daher dürfen wir beide Seiten durch $\langle\Psi\vert\Psi\rangle$ dividieren und erhalten schließlich

\begin{displaymath}E = {\langle\Psi\vert\hat H\vert\Psi\rangle \over \langle\Psi\vert\Psi\rangle}
\end{displaymath} (30)

Dies ist der bekannte Ausdruck für den (Energie-)Erwartungswert des Hamilton-Operators. Wir erkennen also, daß das Funktional (27) für die Lösungen $\Psi$der Schrödinger-Gleichung (26) den jeweiligen, zu $\Psi$ gehörenden Eigenwert E annimmt. Aber, im Gegensatz zu Gln. (26), erhalten wir für beliebige, normierbare $\psi$ auch dann einen Zahlenwert für die Energie, wenn die Gln. (26) nicht exakt erfüllt ist, was bei Mehrelektronensystemen, bis auf unbedeutende Ausnahmen, stets der Fall sein wird.

Man kann den Rayleigh-Quotienten nun dazu benutzen, um eine möglichst gute Lösung der Schrödinger-Gleichung (26) zu finden. Man kann zeigen, daß der Rayleigh-Quotient (27) eine obere Schranke zum tiefsten Eigenwert E0 der Schrödinger-Gleichung (26) ist, d.h.

\begin{displaymath}F[\psi] :=
{\langle\psi\vert\hat H\vert\psi\rangle \over \lan...
...i\rangle} \geq E_0,\quad
\mbox{mit}\;\; \hat H\Psi_0=E_0\Psi_0
\end{displaymath} (31)

und daß die Gleichheit genau dann gilt, wenn $\psi=\Psi_0$ gewählt werden kann. Diesen Sachverhalt nennt man ``Variationstheorem''.


next up previous
Next: Stationarisierung eines Funktionals Up: Variationsrechnung Previous: Variationsrechnung
Robert Gdanitz
1999-07-05

Auf diesem Webangebot gilt die Datenschutzerklärung der TU Braunschweig mit Ausnahme der Abschnitte VI, VII und VIII.